<< zurück | Home | JWD-Nachrichten | Teilen

13.05.2014 11:15
„Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich!“
Heute erscheint mit „Wem gehört Deutschland? Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen“ Jens Bergers zweites Buch im Westend Verlag. Der NachDenkSeiten-Redakteur bringt darin Licht ins Dunkel der Debatte um „das Vermögen“ der Deutschen, Armut und Reichtum sowie Verteilungsgerechtigkeit. Interviews zum Buch sind mittlerweile beim SR2 und bei Deutschlandradio [Audio - mp3] nachzuhören. Für die NachDenkSeiten sprach Jens Wernicke zum Veröffentlichungsstart mit Jens Berger über das Buch und die Vermögensverteilung in Deutschland. [Quelle: nds.de / Jens Berger]  JWD

JW: Herr Berger, in Ihrem heute erscheinenden Buch gehen Sie der Frage nach, wem Deutschland gehöre. Es geht um Armut und Reichtum sowie die heimliche Macht im Staat. Bevor wir ins Detail gehen, vorab: Rüdiger Liedtke geht seit 20 Jahren derselben Frage nach – warum Sie nun also auch?

JB: Im Rahmen meiner journalistischen Arbeit stoße ich nun schon seit Jahren regelmäßig auf Einzelmeldungen zum Thema „Reichtum“ und „Vermögensverteilung“. Jedes mal war ich jedoch überrascht, dass es kein Kompendium gibt, das diese Einzelmeldungen einmal zusammenfasst und dem gesamten Themenfeld mit einem roten Faden durchzieht. Dies ist umso erstaunlicher, da es sich hier ja beileibe nicht um ein Nischenthema handelt, das nur für Fachleute von Interesse ist. Im Gegenteil.

Hinzu kommt, dass sämtliche verfügbaren Daten darauf hinweisen, dass die Vermögensverteilung in Deutschland vor allem in den letzten 15 Jahren sich ganz massiv verschoben hat. Wir beobachten hier einen epochalen Wandel. Von der Gründung der Bundesrepublik bis zur Mitte der Neunziger Jahre war Deutschland ein Land, in dem die Unterschiede zwischen Arm und Reich von Jahr zu Jahr geringer wurden. Seit diesem Zeitraum bewegen sich die Vermögen rasant auseinander. Es gibt jedoch kaum Bücher und nur wenige Studien, die sich ausführlich mit diesem Phänomen beschäftigen. Daher habe ich selbst zur Feder gegriffen.

JW: Und was genau haben Sie nun untersucht?

JB: Zunächst habe ich natürlich einen sehr genauen Blick auf die verschiedenen Posten der persönlichen Vermögensbilanz geworfen. Wem gehören die Geldvermögen? Wem die Immobilien? Wem die Unternehmen? Wichtig war es mir jedoch auch, dem Leser zu erklären, warum die Vermögen in diesen und anderen Punkten derart ungleich verteilt sind. Was sind die Gründe für die fortschreitende Ungleichverteilung? Handelt es sich hierbei um einen normalen Trend, der beispielsweise durch die Globalisierung ausgelöst wurde oder ist diese Entwicklung gar politisch gewollt?

JW: Sie sezieren damit auch die Rede von „dem Deutschen“ und „unserem Wohlstand“ und legen den Finger in die Wunde der sich öffnenden Schere zwischen Armen und Reichen im Land. Wer aber sind denn „die Reichen“ im Land, was macht Sie aus und weiß man über sie?

JB: Abseits einiger meist belangloser Kurzmeldungen in der Wirtschaftspresse und zahlreicher noch belangloser Berichte in der Yellow Press wissen wir erschreckend wenig von den Reichen im Land. Und auch diese Informationen sind keinesfalls lückenlos. Sicher hat fast jeder schon einmal etwas von den Brüdern Albrecht gehört, denen die Discounter-Kette ALDI gehört. Aber wer kennt schon einen Mann wie Bernard große Broermann, der als alleiniger Besitzer der Asklepios-Kliniken so sehr wie kaum ein anderer von der Privatisierung des Gesundheitssystems profitiert hat? Während es im Großteil des Buches in der Tat eher um statistische und strukturelle Fragen geht, werfe ich in elf Unterkapiteln auch einen sicherlich nicht unbedingt repräsentativen Blick auf die Reichen im Land, bei dem Ross und Reiter auch beim Namen genannt werden.

JW: Aber sind, wie der Untertitel Ihres Buches das andeutet, diese Wohlhabenden denn zugleich auch gleich die stillen Machthaber im Staate? Wie kommen Sie darauf?

JB: Wem gehören beispielsweise die großen Zeitungen des Landes? Mit zwei Ausnahmen gehören sämtliche Tageszeitungen mit einer Auflage von mehr als 200.000 Exemplaren Familien, die in der Liste der 500 reichsten Deutschen wiederzufinden sind. Bei den Wochenzeitungen, den Magazinen und den privaten Rundfunksendern sieht es ähnlich aus. Wer gehört zu den Großspendern der politischen Parteien? Wer gründet Think-Tanks und vermeintlich gemeinnützige Stiftungen, die die Grundlagen für politische Reformen schaffen, von denen die Wohlhabenden des Landes so massiv profitieren? Wer steuert die Finanzmärkte, deren Wünsche unsere marktkonforme Demokratie tagtäglich umsetzt? Bei der Analyse über die Gründe der steigenden Vermögensungleichheit stößt man immer wieder auf dieselben Strukturen. Lassen Sie es mich so sagen: In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich in Deutschland eine zahlenmäßig sehr kleine dafür finanziell umso potentere Parallelgesellschaft gebildet, die ihre Ziele mit erschreckender Effizienz umsetzt. Der Aufschrei dagegen blieb jedoch aus. Vielleicht auch deshalb, weil kaum jemand etwas über die wahren Vermögensverhältnisse im Land weiß?

JW: Aber ist das für Sie bereits „Macht“: Einen Think Tank zu gründen? Reformen mitgestalten? Auch die Gewerkschaften und die Linke nennen ja „Think Tanks“ ihr eigen – die Böckler- und die Luxemburg-Stiftung – und mischen sozusagen bei politischen Reformen etc. pp. mit.

JB: Das stimmt. Doch man sollte sich davor hüten, hier Äpfel mit Birnen zu vergleichen, da man die – nennen wir es – „Wirkmächtigkeit“ der verschiedenen Think Tanks kaum vergleichen kann. Eine neue – nennen wir sie – „Studie“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft wird in allen Medien ausführlich erwähnt und der IW-Chef Michael Hüther darf seine Sicht der Dinge nicht nur in den großen Talkshows, sondern auch in BILD, SPIEGEL, FAZ und Co. unters Volk bringen. Das IW wird, wie der Name schon sagt, von der deutschen Wirtschaft finanziert und wer die Kapelle bezahlt, bestimmt, was gespielt wird. Wann haben Sie zuletzt einen Böckler- oder RLS-Vertreter bei Günther Jauch oder Maybrit Illner gesehen? Wann wurde ein linker Ökonom zuletzt von der BILD interviewt?

JW: Aber wenn es nur diese Handvoll Menschen sind, die die Strippen im Hintergrund ziehen, welche die Macht in Händen halten, …leben wir dann überhaupt noch in etwas, das den Namen „Demokratie“ verdient? Oder sind die Zustände längst etwas, das man, wie der Elitenforscher Michael Hartmann dies unlängst tat, als deutliche Bedrohung für die Demokratie skizziert hat?

JB: Alle Macht geht vom Volke aus, so sagt es das Grundgesetz. Und Brecht sagte: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber“. So gesehen sind wir ziemlich dumm. Es ist in der Tat ein sehr bemerkenswertes Phänomen, dass die Mehrheit der Bevölkerung in einem durchweg demokratischen System stets gegen ihre eigenen Interessen votiert. Dazu hat sich ja bereits Ulrike Herrmann in ihrem Buch „Hurra, wir dürfen zahlen“ Gedanken gemacht. Sie analysiert darin einen „Selbstbetrug der Mittelschicht“, die sich interessanterweise selbst als Teil der Oberschicht sieht und daher eine Politik wünscht, die vor allem den Eliten nützt. Da ist wohl viel Wahres dran.

JW: Was Sie sagen, ist nahe dran an dem, was kürzlich eine Studie der Universität Princeton thematisierte. Dass nämlich die USA viel eher als Oligarchie denn Demokratie zu beschreiben sind. Sind solche Entwicklungen denn aufhalt- und ggf. umkehrbar – und wenn ja, dann wie?

JB: Am Ende meines Buches zähle ich 16 Punkte für einen Weg zu einer gerechten und stabilen Gesellschaft auf. Ich will an dieser Stelle natürlich nicht alles verraten, da sich ja ansonsten niemand mehr das Buch kaufen würde. Nur so viel: Diese Entwicklungen sind nicht nur aufhalt-, sondern sogar umkehrbar. Und dazu braucht es noch nicht einmal einen wie auch immer gearteten Systemwechsel. Das eigentliche Problem ist vielmehr, dass eine Umkehr der Entwicklung politisch gewollt sein muss. So lange die Menschen aber nicht wissen, wie sehr die Umverteilung von unten nach oben bereits fortgeschritten ist und welche Konsequenzen dies für sie hat, werden sie auch weiterhin eine Politik unterstützten, die gegen ihre eigenen Interessen arbeitet. Daher ist es unumgänglich, diese Themen zunächst einmal zur Diskussion zu stellen und eine Debatte anzustoßen. Ich hoffe sehr, dass mein Buch dazu zumindest einen kleinen Teil beitragen kann.

Link zum Originalartikel bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier


Anmerkung: Ich schätze einmal, dass im diesem Buch eine ganze Menge wichtiger Informationen zusammengetragen sind, die in der üblichen Berichterstattung verschleiert, oder ganz verschwiegen werden. Ich bin sehr gespannt darauf, ob auch das in meiner Vorstellung vorhandene riesige "Schwarze Loch" im Zentrum des Finanzuniversums, etwas ausgeleuchtet wird? Vieles würde den meisten Menschen wie Schuppen von den Augen fallen. Die zweifellos kriminilogene Situation, würde sich höchstwahrscheinlich als hoch Kriminell herausstellen.

Mit dem 'Schwarzen Loch" umschreibe ich die Tatsache des Tabus, dass heute zunehmend zwar die Kapitalkonzentrationen diverser Konzerne schon mal diskutiert werden, aber die wenigen Familienclans, die diese Konzerne beherrschen, bleiben außen vor. Denn dieser kleine, immer im Geheimen weltweit operierende Zirkel beherrscht natürlich auch den Mainstream und weiß wie Meinungsmache funktioniert und Emotionen gesteuert werden. Es ist natürlich kein Zufall, wenn diese handvoll Menschen, auf Grund des von ihnen selbst geschaffenen bzw. modifizierten Gesellschafts- und Kapitalsystems gigantische Vermögenszuwächse erfährt, während die massenhafte, gesellschaftliche Verelendung voranschreitet.



Passend zum Thema:

12.05.2014 [Quelle: SWR2 / Elisabeth Brückner]
Kapital ungerecht?

Von armen Schluckern und Superreichen in Deutschland..

Mit insgesamt 5,15 Billionen Euro ist das private Geldvermögen in Deutschland so hoch wie noch nie. Allerdings ist in keinem Land der Euro-Zone der Reichtum so ungleich verteilt wie bei uns, wo vor vielen Jahren mal die soziale Marktwirtschaft erfunden wurde und Ludwig Erhard ‚?Wohlstand für alle‘versprochen hatte. Mittlerweile werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. „Diese Entwicklung war vorauszusehen, ja, sie war geplant“, schreibt der Journalist Jens Berger in seinem neuen Buch „Wem gehört Deutschland?“ (Westend Verlag).

Link zum Originalartikel bei ' swr.de ' ..hier | Download Audiodatei ..hier


06.01.2012 13:10
Reichtumsuhr: Ungleichheit der Vermögensverteilung in Deutschland wächst
Frankfurt / Main - Die Einkommens- und Vermögensverteilung wird in Deutschland immer ungleicher: Der Niedriglohnsektor wächst, die Reallöhne fallen und die Armutsgefährdung steigt, während hohe Einkommen und Vermögen wachsen. Der Anteil der vermögensbezogenen Steuern (Erbschaftssteuer, Vermögensteuer usw.) am Bruttoinlandsprodukt liegt bei unter einem Prozent. [Quelle: vermoegensteuerjetzt.de]  JWD   ..mehr


16.07.2012 14:15
Hedgefonds beherrschen die Welt - Diktatur der Schattenbanken -  80% der Finanztransaktionen außerbörslich
Längst hat das dunkle Reich des Schattenbanksystems von Hedgefonds, außerhalb jeder staatlichen Kontrolle, die Weltherrschaft übernommen. Die Hedgefonds sind Eigentümer der Banken und Eigentümer eines Großteils der realen Wirtschaft. Der größte Eigentümer der Deutschen Bank z.B. ist der Hedgefond "Blackrock", der gleichzeitig Anteile an allen 30 deutschen Dax-Konzernen und an den wichtigsten amerikanischen Konzernen besitzt. Blackrock ist auch Hauptaktionär der beiden weltweit größten Ratingagenturen Standard&Poor's sowie Moody's. Die fast unbekannten übermächtigen Dunkelmänner und -frauen operieren von juristischen Kommandozentralen aus, die extraterritorial im Schattenreich der unregulierten Finanzoasen angesiedelt sind. [Quellen: Publikationen W.Rügemer] JWD  ..mehr


13.03.2013 00:35
Goldman Sachs und sonstige Parasiten - vom banalen Wahnsinn des Finanzsystems -
"Die Unersättlichen" lautet der deutsche Titel des Buchs von Greg Smith, einem Insider, der aus dem Nähkästchen plaudert. Zum ersten Mal erlaubt ein ausgestiegener Manager von Goldman Sachs einen Blick hinter die Kulissen der berühmten und zwischenzeitlich  auch berüchtigten Investmentbank. JWD  ..weiterlesen


20.06.2013 18:25
Neue Banken braucht die Welt - kriminogene Situation abschaffen
Schon Werner Rügemer hat in seinem im letzten Jahr erschienenem Buch, - Rating-Agenturen: Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart -, ungeheuerliches aufgedeckt und damit zumindest ein Strohfeuer entfacht, was sich zwischenzeitlich zum Schwelbrand gewandelt hat. Auch Thomas Fricke, bis Dezember 2012 Chefökonom der damals eingestellten Tageszeitung Financial Times Deutschland, hat zu diesem Themenkomplex jetzt ein Buch mit dem Titel: „Wie viel Bank braucht der Mensch?" veröffentlicht.  JWD  ..weiterlesen

 
<< zurück | Home |