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11.12.2015 01:20
Ein Plan zur Ausweitung der US-Vorherrschaft
Der „Kampf der Kulturen“
Die Theorie des islamischen Weltkomplotts und des
Zusammenpralls der Kulturen ist seit 1990 schrittweise ausgearbeitet worden, um
dem US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplex nach der Auflösung der
UdSSR eine Ersatzideologie zu liefern. Der britische Orientalist Bernard Lewis,
der US-Stratege Samuel Huntington und der französische Berater Laurent Murawiec
sind die Haupterfinder dieser Theorie. Sie erlaubt die – nicht immer ganz
rationale – Rechtfertigung des US-amerikanischen Kreuzzugs ums Öl.
[Quelle: voltairenet.org] JWD
Von Thierry Meyssan | Voltaire Netzwerk | Paris
(Frankreich) | 4. Juni 2004
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Die Attentate des 11. September 2001, von der Bush-Regierung einer
„islamischen Verschwörung“ zugeschrieben, wurden in den Vereinigten Staaten und
Europa als erste Manifestation eines „Kampfes der Kulturen“ interpretiert. Die
arabisch-moslemische Welt soll in einen Krieg gegen die jüdisch-christliche
eingetreten sein. Für diese Konfrontation soll es keine Lösung geben außer den
Triumph der einen Seite auf Kosten der anderen – im Falle des Islam die
Durchsetzung eines weltweiten Kalifats (das heißt eines islamischen Imperiums),
im Falle der „amerikanischen Werte“ der Sieg unter Beteiligung eines
modernisierten Islam in einer globalisierten Welt.
Eine apokalyptische Doktrin
Die Theorie der islamischen Verschwörung und des Kampfes der Kulturen bietet
eine ganzheitliche Erklärung der Welt an. Sie ordnet die Welt nach dem
Verschwinden der UdSSR. Es gibt keine mit antagonistischen Ideologien
angefeuerte Ost-West-Konfrontation mehr zwischen zwei Supermächten, sondern
einen Krieg zwischen zwei Kulturen, oder besser gesagt zwischen der modernen
Zivilisation und einer archaischen Form der Barbarei.
Mit dem Ansatz, der Islam liege im Krieg mit den amerikanischen Werten, geht
diese Theorie als Erstes davon aus, dass der Islam nicht modernisierbar ist.
Diese Kultur sei nicht zu trennen von der arabischen Gesellschaft des VIII.
Jahrhunderts, deren Strukturen – besonders die unterlegene Stellung der Frau –
sie verewigt. Sie kann sich ihre Ausbreitung nur durch Gewalt nach dem Modell
der Kriege des Propheten vorstellen.
Diese Theorie behauptet gleichermaßen, dass „Amerika“ der Träger von Freiheit,
Demokratie und Wohlstand ist, dass es die Modernität verkörpert und den Endpunkt
des Fortschritts und das Ende der Geschichte darstellt.
Der 11. September 2001 ist die erste Schlacht in diesem Krieg der Kulturen, so
wie Pearl Harbour für die Vereinigten Staaten die erste Schlacht des Zweiten
Weltkriegs ist. Das besagt, dass dieser Krieg seinen Vorgängern nicht ähnlich
ist. Während der beiden ersten Weltkriege haben sich Militärbündnisse einen
Kampf der Titanen geliefert. Im Verlauf des Kalten Krieges wurden die
militärischen Kämpfe auf die peripheren Gebiete beschränkt, sogar auf Konflikte
von geringer Intensität (Guerillas), während die zentrale Konfrontation der
ideologische Kampf zweier Supermächte war. Im Laufe des vierten Weltkriegs, der
im Entstehen begriffen ist, verschwinden die klassischen militärischen
Schlachten zugunsten von asymmetrischen Kriegen: Eine einzige Macht als Führer
aller Staaten bekämpft einen nichtstaatlichen Terrorismus, der allgegenwärtig
ist.
Es handelt sich jedoch nicht um einen Krieg zwischen staatlicher
Willkürherrschaft und Gruppen von Einwohnern, sondern im Gegenteil um einen
Aufstand der Demokratien gegen die islamische Tyrannei, die die
arabisch-moslemische Welt unterdrückt und versucht, ein weltweites Kalifat
aufzuzwingen.
Dieser Kampf zwischen Gut und Böse hat seinen Kristallisationspunkt in
Jerusalem. In der Tat soll dort, am Ende des Armageddon, die Wiederkehr des
Christus stattfinden, die den Triumph der „offensichtlichen Bestimmung“ der
Vereinigten Staaten prägen wird, der „einzigen freien Nation auf der Erde“,
durch die göttliche Vorsehung beauftragt, „dem Rest der Welt das Licht des
Fortschritts“ zu bringen. Von nun an ist die bedingungslose Unterstützung
Israels gegenüber dem islamischen Terrorismus eine patriotische und religiöse
Pflicht für alle Bürger der Vereinigten Staaten, selbst wenn die Juden nur auf
das Heil hoffen dürfen, wenn sie zum Christentum konvertieren.
Ein Komplex
Diese Darstellung der Theorie des islamischen Komplotts und des Kampfes der
Kulturen ist ganz und gar keine Übertreibung. Sie bleibt dem treu, was die
Medien und die politischen Parteien in den USA verbreiten. Man kann sich
selbstverständlich gleichzeitig mit den zugrunde liegenden Vorurteilen, dem
inneren Zusammenhang der Theorie und ihrer irrationalen Natur beschäftigen.
Die Konzepte der arabisch-moslemischen Welt und der jüdisch-christlichen Welt
sind in sich anfechtbar. Ursprünglich bezeichnet der Begriff jüdisch-christlich
nicht die Menge der Juden plus Christen, sondern im Gegenteil die Gruppe der
ersten Christen, als sie noch Juden waren, bevor die Kirche sich von der
Synagoge trennte. Ende der sechziger Jahre, das heißt nach der Annäherung
zwischen Israel und den USA und dem Sechs-Tage-Krieg, erhielt dieser Begriff
aber eine politische Bedeutung. Er bezeichnet den Nordatlantikpakt-Block, Westen
genannt, gegenüber dem sowjetischen Block, als Osten bezeichnet.
Hier ist ein Recycling der Begriffe zu beobachten: Der Westen bleibt bis heute
in etwa der gleiche, während sein Gegner nicht mehr der Osten, sondern der
Orient ist. Diese Konzepte haben nichts mit Geografie und nichts mit Kultur zu
tun, sondern sind ausschließlich Propaganda. So sind Australien und Japan
politisch westlich wie übrigens auch zwei europäische Staaten mit moslemischer
Bevölkerung, die Türkei und Bosnien-Herzegowina. Hier stößt man auch auf ein
großes Problem: In zahlreichen Staaten und besonders rund um das Mittelmeer ist
es gegenwärtig unmöglich, die jüdisch-christliche Kultur und die
arabisch-moslemische voneinander abzugrenzen. Der Kampf der Kulturen legt somit
nahe, Bürgerkriege anzustiften, um die Bevölkerungsgruppen voneinander zu
trennen. Unter diesem Gesichtspunkt bedeutet Jugoslawien eine erfolgreiche
Erfahrung. Die Durchführung und der Abschluss des Separationsplans beinhalten
die Aufgabe des säkularen Idealismus. Deshalb ist es auf lange Sicht
unvermeidlich, dass der wichtigste strukturelle Widerstand im Innern des
„westlichen“ Lagers die französische Republik ist [1].
Im Übrigen setzt das Vorurteil, demzufolge der Islam mit Modernität und
Demokratie nicht vereinbar wäre, eine große Ignoranz voraus. Der Ausdruck
arabisch-moslemische Welt unterstreicht, dass der Islam heute sehr viel weiter
reicht als die arabische Welt, aber gleichzeitig ist die Vorstellung, die man
sich davon macht, äußerst dürftig. Sehr wenige US-Amerikaner wissen, dass
Indonesien der wichtigste moslemische Staat der Welt ist. Kann man
vernünftigerweise behaupten, Abu Dhabi und Dubai wären weniger modern als
Kansas? Kann man aufrichtig bestätigen, dass Bahrain weniger demokratisch ist
als Florida? Einer der Zwecke dieses Diskurses ist es, den Islam an das Arabien
des achten Jahrhunderts anzugleichen, aber kommt es irgendjemandem in den Kopf,
das Christentum mit der nahöstlichen Antike gleichzusetzen?
Entsprechend beruht diese Theorie auf dem Glauben an die „amerikanischen Werte“.
Und es handelt sich wirklich um Glaubensüberzeugungen, denn wie kann man für ein
Land eine solche Hochachtung aufbringen, dessen Verfassung die Volkssouveränität
nicht anerkennt, dessen Präsident nicht gewählt, sondern ernannt wird, wo die
Korruption der Abgeordneten nicht verboten, sondern gesetzlich geregelt ist, wo
die Beschuldigten heimlich festgehalten werden können, was ein
Konzentrationslager in Guantanamo unterhält, welches die Todesstrafe und die
Folter praktiziert, wo die Herausgeber der großen Zeitungen wöchentlich ihre
Anweisungen vom Weißen Haus erhalten, was die Zivilbevölkerung in Afghanistan
bombardiert, einen auf Haiti demokratisch gewählten Präsidenten kidnappt,
Söldner bezahlt, um demokratische Regierungen in Venezuela und auf Kuba zu
stürzen und so weiter?
Schließlich ist diese Theorie untrennbar verbunden mit religiösem Denken von
apokalyptischer Art. Die amerikanische Revolution ist eine komplexe Bewegung, in
der sich verschiedene Ideologien vermischt haben. Aber letztendlich sind sie auf
ein religiöses Vorhaben gegründet und dieses ursprüngliche Projekt nimmt die
gegenwärtige Regierung für sich in Anspruch. Der Treueeid, der seit dem Kalten
Krieg in Kraft ist und zur Zeit vor dem Obersten Gerichtshof angefochten wird,
schließt ein, dass man an Gott glauben muss, um Bürger der Vereinigten Staaten
zu sein.
George W. Bush bekam Zugang zum Weißen Haus, indem er seinen Glauben an
Jesus wie ein politisches Programm zur Schau stellte. Er hat sich zu
fundamentalistischen Glaubensüberzeugungen bekannt, nach denen die Menschheit
erst vor einigen Tausend Jahren ohne Evolution der Arten erschaffen wurde. Er
hat im Weißen Haus ein Büro eingerichtet für Initiativen, die auf dem Glauben
begründet sind.
Generalbundesanwalt John Ashcroft hat sich die Devise zu eigen
gemacht „Wir haben keinen anderen König als Jesus“. Der Gesundheitsminister hat
die Prophylaxe-Programme nach seinen religiösen Überzeugungen zugeschnitten. Der
Verteidigungsminister hat Missionare der Kirche von Pastor Graham zusammen mit
den Koalitionsstreitkräften in den Irak geschickt mit der Aufgabe, die Iraker zu
bekehren, usw. In Anbetracht all dieser Dinge kann man sich ernsthaft fragen, ob
die Vereinigten Staaten ein modernes, offenes und tolerantes Land sind oder sich
in ihnen Sektierertum und Archaismus verkörpern.
Der Ursprung des Konzeptes
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Bernard Lewis |
Der Ausdruck „Kampf der Kulturen“ ist zum ersten Mal in einem Artikel des
Orientalisten Bernard Lewis erschienen, der 1990 liebenswürdigerweise mit dem
Titel „Die Wurzeln der muslimischen Wut“ versehen wurde [2]. Das Thema ist dies:
Der Islam führt zu nichts Gutem und die Muslime schöpfen daraus eine Bitterkeit,
die sie in Zorn gegen den Westen umwandeln. Aber der Sieg der Vereinigten
Staaten ist gewiss, ebenso wie die „Libanisierung“ des Nahen Ostens und die
Erstarkung Israels.
Bernard Lewis, heute [2004] 88 Jahre alt, wurde in Großbritannien geboren. Er
absolvierte eine Ausbildung als Jurist und Islamwissenschaftler. Während des
Zweiten Weltkriegs arbeitete er in den militärischen Nachrichtendiensten und im
Arabischen Büro des britischen Außenministeriums. In den sechziger Jahren wurde
er anerkannter Experte des Royal Institute of International Affairs, wo er als
Spezialist für die britische humanitäre Intervention in das Osmanische Reich
auftrat und als einer der letzten Verteidiger des britischen Imperiums.
Unter
der Schirmherrschaft der CIA nahm er teil am Congress for Cultural Freedom, der
ihm ein Werk in Auftrag gab: „Der Nahe Osten und der Westen“ [3]. 1974 wanderte
er in die Vereinigten Staaten aus. Er lehrte als Professor in Princeton und
wurde eingebürgert. Bald wurde er zum Mitarbeiter von Zbigniew Brzezinski, dem
nationalen Sicherheitsberater von Präsident Carter. Zusammen stellten sie die
Theorie des „Bogens der Instabilität“ [instability arch] auf und arbeiteten die
Destabilisierung der kommunistischen Regierung Afghanistans aus. In Frankreich
war Bernard Lewis Mitglied der ausgesprochen atlantistischen Fondation
Saint-Simon, für die er 1993 eine kleine Schrift „Islam und Demokratie“
verfasste. In diesem Zusammenhang wurde er von der Tageszeitung Le Monde
interviewt. Im Lauf des Interviews schaffte er es, den armenischen Genozid zu
leugnen. Das brachte ihm eine gerichtliche Verurteilung ein [4].
Die Vorstellung vom Kampf der Kulturen entwickelte sich unterdessen rasch
weiter. Von einer neokolonialen Ausführung über die Vorrangstellung des weißen
Mannes wurde sie zu einer weltweiten Konfrontation, deren Ausgang ungewiss ist.
Diese neue Bedeutung geht auf Professor Samuel Huntington zurück, der kein
Islamwissenschaftler ist, sondern Stratege. Er entwickelte sie in zwei Artikeln,
„Der Kampf der Kulturen?“ und „Der Westen ist einzigartig, nicht universal“, und
in einem Buch mit dem Titel „Der Kampf der Kulturen und die Neugestaltung der
Weltordnung“ [5].
Es geht nicht nur um einen Kampf gegen die Moslems, vielmehr zuerst gegen sie,
dann gegen die chinesische Welt. Wie in der Sage von den Horatiern und Kuratiern
müssen die Vereinigten Staaten ihre Gegner einen nach dem anderen beseitigen, um
auf den Endsieg hoffen zu können.
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Samuel Huntington |
Samuel Huntington ist einer der großen Intellektuellen unserer Zeit – nicht weil
seine Werke unwiderlegbar und brilliant wären, aber sie bilden das ideologische
Fundament des zeitgenössischen Faschismus.
In seinem ersten Buch „Der Soldat und der Staat“, das 1957 erschien, versuchte
er darzulegen, dass es eine ideologisch vereinte militärische Kaste gibt,
während Zivilisten immer politisch gespalten [6]. Er entwickelt die Konzeption
einer Gesellschaft, in der der Handel liberalisiert ist und wo die Herren der
multinationalen Konzerne unter der Schutz einer Prätorianergarde die politische
Macht besitzen.
1968 publizierte er „Politische Ordnung in sich verändernden Gesellschaften“,
eine Abhandlung, in der er behauptet, dass nur autoritäre Regimes fähig seien,
die Länder der Dritten Welt zu modernisieren [7]. Heimlich beteiligte er sich an
der Gründung einer Expertenrunde, die dem Präsidentschaftskandidaten Richard
Nixon einen Bericht übergab zu den Möglichkeiten, die geheimen CIA-Aktionen zu
verstärken [8].
1969–70 ließ Henry Kissinger, der seine Vorliebe für Geheimaktionen schätzte,
ihn für die Arbeitsgruppe des Präsidenten für internationale Entwicklung
nominieren [9]. Huntington empfiehlt ein dialektisches Spiel zwischen dem
Außenministerium und den multinationalen Konzernen: Das erstere soll Druck auf
die Entwicklungsländer ausüben, damit sie eine liberale Gesetzgebung einführen
und auf Nationalisierungen verzichten; gleichzeitig sollen die Konzerne das
Außenministerium von ihrer Kenntnis der Länder, in denen sie arbeiten,
profitieren lassen [10].
Er schließt sich dem Wilson Center an und begründet die Zeitschrift Foreign
Policy. 1974 lässt Kissinger ihn in den Ausschuss für
US-Lateinamerika-Beziehungen bestellen. Er nimmt aktiv teil an der Einsetzung
der Regimes der Generäle Augusto Pinochet in Chile und Jorge Rafael Videla in
Argentinien. Zum ersten Mal erprobt er sein soziales Modell und beweist, dass
eine liberalisierte Wirtschaft mit einer Militärdiktatur vereinbar ist. Parallel
dazu führt sein Freund Zbigniew Brzezinski ihn in einen privaten Kreis, die
Trilaterale Kommission ein. Dort verfasst er den Bericht „Die Krise der
Demokratie“ [11], in dem er sich für eine stärker elitär ausgerichtete
Gesellschaft ausspricht, wo der Zugang zu den Universitäten und die
Pressefreiheit beschränkt sind.
Als die Mitglieder der Regierungen Nixon und
Ford von Jimmy Carter nach Hause geschickt werden und die Vereinigten Staaten
eine Wende ihrer Lateinamerika-Politik vollziehen, wird Huntington durch seinen
Freund Brzezinski, der nationaler Sicherheitsberater geworden ist, eine neue
Chance gegeben. Dadurch bleibt er im Weißen Haus und wird Koordinator für die
Planungen im Nationalen Sicherheitsrat. In dieser Periode beginnt er eng mit
Bernard Lewis zusammenzuarbeiten und begreift die Notwendigkeit, erst die
Erdölgebiete des „Bogens der Instabilität“ zu beherrschen, ehe das
kommunistische China angegriffen werden kann. Das wird noch nicht als Kampf der
Kulturen bezeichnet, ist aber etwas Ähnliches.
Aber Professor Samuel Huntington ist gezwungen, sich einem peinlichen Skandal
stellen. Berichten zufolge wird er von der CIA dafür bezahlt, dass er Artikel in
den Universitätszeitschriften veröffentlicht, die den Rückgriff auf
Geheimdienstaktionen rechtfertigen, um die Ordnung in Ländern
aufrechtzuerhalten, wo befreundete Diktatoren plötzlich gestorben sind. Als
diese Angelegenheit vergessen ist, nominiert Frank Carlucci ihn für den
gemeinsamen Ausschuss des Nationalen Sicherheitsrates und des Außenministeriums
für integrierte langfristige Strategie [12]. Sein Bericht wird das Programm des
„Kriegs der Sterne“ rechtfertigen.
Heute [2004] ist Huntington Geschäftsführer von Freedom House, einer
antikommunistischen Vereinigung unter Vorsitz des früheren CIA-Direktors James Woolsey.
Jerusalem und Mekka
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Laurent Murawiec
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Die Theorie des Kampfes der Kulturen nimmt über religiöse Fragen Gestalt an. Die
christlich-jüdische Kontrolle über Jerusalem ist ein notwendiger Talisman für
den weltweiten Sieg. Wenn der Westen die heilige Stadt verliert, büßt er die
Kraft ein, seine offensichtliche Bestimmung zu erfüllen, seine göttliche
Aufgabe. Umgekehrt würde, wenn die Moslems die Kontrolle über Mekka verlören,
ihre Religion zerfallen. Zweifellos ist all dies nicht sehr rational, aber
solche abergläubischen Vorstellungen sind allgegenwärtig in den populären
US-amerikanischen Medien. Sie folgen überdies einem durchdachten politischen
Diskurs.
Am 10. Juli 2002 riefen Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz die vierteljährliche
Versammlung des Beratenden Komitees des Ausschusses für Verteidigungspolitik ein
[13]. Nur ein Dutzend der Mitglieder waren anwesend. Man hörte das Referat eines
französischen Experten der Rand Corporation, Laurent Murawiec, an: „Die Saudis
aus Arabien vertreiben“ [14]. Der Vortrag war in drei Abschnitte und die
Vorführung von 24 Dias gegliedert.
Im ersten Teil griff Murawiec die Theorien
von Bernard Lewis auf: Die arabische Welt macht seit zwei Jahrhunderten eine
Krise durch. Sie ist weder in der Lage, ihre industrielle Revolution noch ihre
digitale Revolution zu verwirklichen. Dieser Misserfolg weckt Frustration, die
sich in Wut gegen den Westen verwandelt – insbesondere weil die Araber sich
nicht auseinandersetzen können und in ihrer Kultur Gewalt das einzige politische
Mittel ist. Unter diesem Blickwinkel sind die Attentate des 11. September nur
der symptomatische Ausdruck ihrer Überforderung.
In einem zweiten Teil
beschreibt Murawiec die saudische königliche Familie als unfähig, mit den
Ereignissen Schritt zu halten. Sie hat den „Wahhabismus“ in der Welt entfaltet,
sowohl um gegen den Kommunismus wie auch gegen die iranische Revolution zu
kämpfen, aber heute ist das, was sie geschaffen hat, außer Kontrolle geraten.
Schließlich schlug der Referent eine Strategie vor: Die Saudis besitzen
gleichzeitig das Öl (das ist der springende Punkt!), den Petrodollar und die
Aufsicht über die heiligen Orte. Sie sind die zentrale und einzige Säule, um die
sich die arabisch-moslemische Welt organisiert. Wenn die Vereinigten Staaten sie
beseitigen, dann können sie das Öl für sich haben, das sie für ihre Wirtschaft
brauchen, dazu das Geld aus den Öl, das sie in der Vergangenheit
irrtümlicherweise bezahlt haben, und vor allem die heiligen Orte, das heißt die
Kontrolle über die moslemische Welt. Und nach dem Zerfall des Islam wird sich
Israel Ägypten einverleiben können.
Laurent Murawiec war Berater im Umkreis des französischen Verteidigungsministers
Jean-Pierre Chevènement und Lehrbeauftragter an der Schule für Höhere Studien
der Sozialwissenschaften (frz. EHESS) [15]. Nach einigen Jahren als Berater von
Lyndon LaRouche verließ er diesen plötzlich und schloss sich den
Neokonservativen an. Heute [2004] ist er Fachmann am Hudson Institute von
Richard Perle und arbeitet zusammen mit dem dem Middle East Forum von Daniel
Pipes.
Jene Versammlung erregte viel Aufsehen. Der saudi-arabische Botschafter forderte
Erklärungen und Perle, der Organisator dieses Treffens, wurde gebeten, sich für
eine Weile taktvoller zu verhalten, und Murawiec wurde aufgefordert, die Rand
Corporation zu verlassen. Wie auch immer – diese Versammlung war von Rumsfeld
und Wolfowitz mit vollem Bedacht einberufen worden. Es ging darum zu testen, wie
weit das Pentagon gehen könnte.
Autor:
Thierry Meyssan |
Übersetzung:
Sabine
[1] Wir unterscheiden hier zwischen der Republik Frankreich als Idee und
Frankreich als Nationalstaat.
[2] “The Roots of Muslim Rage“ von Bernard Lewis, Atlantic Monthly, September
1990.
[3] The Middle East and the West, von Bernard Lewis, Weidenfelds & Nicholson,
1963 (ein Encouter Book).
[4] Siehe «
Affaire Forum des Associations arméniennes de France & LICRA contre
Bernard Lewis » [Streitsache von France Armenian Associations Forum und LICRA
gegen Bernard Lewis], Urteil vom 21. Dezember 1995, 17e Chambre du TGI in Paris.
[5] “The Clash of Civilizations?” und “The West Unique, Not Universal”, Foreign
Affairs, 1993 und 1996; The Clash of Civilizations and the Remaking of World
Order, 1996.
[6] The Soldier and the State, von Samuel Huntington, Harvard University Press,
1957.
[7] Political Order in Changing Societies, von Samuel Huntington, Yale
University Press, 1968
[8] Diese Gruppe bestand aus Francis M. Baton, Richard M. Bissell jr., Roger D.
Fisher, Samuel Huntington, Lyman Kirkpatrick, Henry Loomis, Max Milliken, Lucien
W. Pye, Edwin O. Reischauer, Adam Yarmolinsky und Franklin Lindsay.
[9] Presidential Task Force on International Development, unter Vorsitz von
Rudolph Peterson.
[10] The United States in Changing World Economy, US Government Printing Office,
1971.
[11] The Crisis of Democracy, von Crozier, Huntington und Watanuky, New York
Press University, 1975.
[12] Commission on Integrated Long-Term Strategy. Sie bestand aus Charles M.
Herzfeld, Fred C. Iklé, Albert J. Wohlstetter, Anne Armstrong, Zbigniew
Brzezinski, William P. Clark, W. Graham Claytor, Jr, General Andrew J.
Goodpaster, Admiral James L. Holloway. III, Samuel P. Huntington, Henry A.
Kissinger, Joshua Lederberg und den Generälen Bernard A. Schriever und John W.
Vessey.
[13] Vorsitz von Richard Perle, zum Defense Policy Board Advisory Committee
gehören Adelman, Richard V. Allen, Martin Anderson, Gary S. Becker, Barry M.
Blechman, Harold Brown, Eliot Cohen, Devon Cross, Ronald Fogleman, Thomas S.
Foley, Tillie K. Fowler, Newt Gingrich, Gerald Hillman, Charles A. Horner, Fred
C. Ikle, David Jeremiah, Henry Kissinger, William Owens, J. Danforth Quayle,
Henry S. Rowen, James R. Schlesinger, Jack Sheehan, Kiron Skinner, Walter B.
Slocombe, Hal Sonnenfeldt, Terry Teague, Ruth Wedgwood, Chris Williams, Pete
Wilson und R. James Woolsey, Jr.
[14] "Taking Saudi out of Arabia", Powerpoint von Laurent Murawiec (Défense
Policy Board, July 10, 2002).
[15] Nach der französischen Befreiung auf Betreiben der CIA geschaffen, sollte
die EHESS das Gegenstück zur kommunistisch beeinflussten CNRS bilden. Selbst
heute wird diese Schule großzügig finanziert von der Fondation franco-américaine.
Thierry Meyssan: Französischer Intellektueller, Präsident und Gründer des Réseau
Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über
ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen
Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk : L’Effroyable imposture :
Tome 2, Manipulations et désinformations (hg. JP Bertand, 2007).
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons
(Lizenz CC BY-NC-ND)
Link zum Originaltext bei ' voltairenet.org ' ..hier
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Tags: Geopolitik, Kampf der Kulturen,
Weltherrschaft, immerwährender Krieg, Strategie, militärisch- industrieller
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