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10.12.2015 13:30
Gabriels Dunstwolke in Sachen CETA und TTIP
Da mit privaten Schiedsgerichten, einem wichtigen Bestandteil der CETA- und TTIP-Handelsabkommen, offensichtlich kein Staat mehr zu machen ist, favorisiert Papier-Tiger Sigmar Gabriel jetzt stattdessen die Idee, einen so genannten "Handelsgerichtshof"  zu installieren. Allerdings handelt es sich auch hier um eine Pseudo-Gerichtsbarkeit, wie Experten bestätigen. JWD

10.12.2015 [Campact Blog / Anna-Lena von Hodenberg]
Experten-Check:
Was der Handelsgerichtshof in TTIP wirklich bedeutet


Keine privaten Schiedsgerichte mehr, dafür einen sogenannten „Handelsgerichtshof“ im Handelsabkommen TTIP – das verspricht Sigmar Gabriel in seinem Leitantrag beim SPD-Parteitag in Berlin. Doch Vorsicht: dieses Pseudo-Gericht bleibt eine Paralleljustiz. Gemeinsam mit 3 Experten haben wir uns dieses angebliche „Gericht“ einmal genauer angeschaut. Unser Video zeigt die harten Fakten, die Gabriel verschweigt.


Sceenshot [Quelle: Compact]

Das Video macht klar: Was Sigmar Gabriel als „Handelsgerichtshof“ ausgibt, ist korrekt übersetzt ein „Investitionsgerichtssystem“ (ICS=Investment Court System) und hat mit demokratischer Gerichtsbarkeit wenig zu tun. Unsere Experten Prof. Dr. Gus van Harten (Osgode Hall Law School Ontario, Kanada), Prof. Dr. Siegfried Broß (Bundesverfassungsrichter a.D.), Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Rechtsanwältin, Bundesjustizministerin a.D.) zeigen: Dieses Investitionsgerichtssystem enthält noch immer die Hauptgefahren von privaten Schiedsgerichten. Wesentliches hat sich nicht geändert.

Gabriels Pseudogericht ist reine Taktik

Der Protest gegen TTIP und CETA ist zu groß geworden, als dass er noch ignoriert werden könnte. Auch in der SPD gibt es massiven Widerstand. Das hat keiner besser verstanden als Sigmar Gabriel. Und das ist seine Reaktion: Mit seinem Pseudogericht kommt er den Kritikern jetzt vordergründig entgegen. Die SPD-Delegierten sollen glauben, Gabriel hätte mit den privaten Schiedsgerichten einen ihrer Hauptkritikpunkte aus dem Weg geräumt. Geht das auf, hat der SPD-Parteichef den Protest in der eigenen Partei effektiv trockengelegt und die Weichen für TTIP doch noch gestellt. Das müssen wir verhindern!

Du kannst helfen: Verbreite die Fakten

Du kennst jetzt die Fakten – viele andere aber noch nicht. Vor allem viele SPD-Delegierte haben das noch nicht durchschaut. Sie werden aber beim SPD Parteitag vom 10.-12. Dezember 2015 über Gabriels Pseudogericht und damit über die Zukunft von TTIP abstimmen.

Nichts vormachen lassen – Video ansehen, informieren und verbreiten, per…


Quelle Campact via Youtube  |  veröffentlicht 09.12.2015

Ein so genannter "Handelsgerichtshof" in TTIP ist keine Alternative zu privaten Schiedsgerichten - es bleibt eine Paralleljustiz.

Seit Mittwoch, den 08. Dezember liegt er vor, der Entwurf des Leitantrags zu TTIP und CETA für den SPD-Parteitag am Samstag in Berlin. Was Parteichef Sigmar Gabriel den Delegierten darin vorschlägt: keine privaten Schiedsgerichte mehr, dafür ein “Investitionsgerichtssystem”. Gabriel persönlich hat sich dafür bei der EU-Kommission eingesetzt. Und anscheinend hofft die Parteiführung jetzt, dass da nun niemand mehr genauer hinsieht.

Genau das aber haben wir getan - gemeinsam mit einer ehemaligen Bundesjustizministerin, einem früheren Verfassungsrichter und einem renommierten Handelsrechtsexperten. Sie warnen vor Gabriels falschem Kompromiss.

Vom 10. - 12. Dezember 2015 werden die SPD-Mitglieder zum Parteitag in Berlin zusammenkommen. Viele wissen nicht, wie gefährlich dieses Gerichtssystem ist: für unseren Rechtsstaat, unsere Steuerkassen und unsere Demokratie.

Das kannst Du ändern: Jetzt kommt es darauf an, dass viele Menschen informiert werden. Entlarven wir Gabriels Vorschlag öffentlich als das, was er ist: ein falscher Kompromiss. Das stärkt der SPD-Basis beim Parteitag den Rücken. Für ein klares Nein zum Investorenschutz.  [
Quelle Campact via Youtube]

Link zum Originaltext bei ' Compact via Youtube ' ..hier  |  Blog ..hier


Appell unterschreiben ..hier
 

Passend zum Thema:

10.12.2015 [nds.de]
Anmerkungen zum TTIP-CETA-Antrag des
Parteivorstands an den Parteitag der SPD


Die SPD-Führung will den bevorstehenden Bundesparteitag offenbar nutzen, um die Positionen der Partei zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA aufzuweichen. Die Delegierten sind gut beraten, den entsprechenden Antrag des Parteivorstands abzulehnen. Von Thorsten Wolff.

Was optimistisch stimmen darf: Teile der SPD sehen Freihandelsabkommen im Allgemeinen und das EU-US-Abkommen TTIP sowie das EU-Kanada-Abkommen CETA kritisch. Und zwar mit guten Gründen. Der Widerstand dagegen ist etwa im Arbeitnehmerflügel, in der Parteijugend, in einigen Landesverbänden (allen voran Berlin) und auch in der Parlamentarischen Linken groß.

Der innerparteiliche Widerstand war schon vor etwas mehr als einem Jahr so stark, dass die Parteiführung im Vorfeld des Parteikonvents vom 20. September 2014 eine Mehrheit gegen TTIP ernsthaft befürchten musste. Eine solche konnte Gabriel damals nur durch eine Finte abwenden: Gemeinsam mit dem DGB erarbeitete sein Bundeswirtschaftsministerium ein Positionspapier, das Gabriel anschließend als SPD-Position beschließen ließ. Da das Papier damit von einem Verband mitgetragen wurde, dem viele TTIP-Kritikerinnen und –Kritiker in der Partei nahe stehen, bröckelte der Widerstand. Gabriel bekam seine Mehrheit.

Ein klares „Nein“ der SPD wäre damals sicherlich wünschenswert gewesen. Inhaltlich aber ist der damalige Beschluss durchaus in Ordnung: Zwar wird etwas weltfremd auf angebliche Chancen und Vorteile des Freihandels verwiesen. Zugleich aber finden sich darin jede Menge roter Linien, die ein durchaus realistisches Bild von den Gefahren des Freihandels zeichnen. Einige Beispiele: Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards dürfen nicht gefährdet werden; das Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzniveau ist weiter zu verbessern; keine gegenseitige Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren, wenn dadurch das Schutzniveau abgesenkt wird; internationale Übereinkünfte und Normen in den Bereichen Umwelt, Arbeit und Verbraucherschutz sind zwingend zu ratifizieren und umzusetzen; Schutzrechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht als Handelshemmnisse interpretiert werden; das demokratische Recht, Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu schaffen, darf nicht gefährdet, ausgehebelt oder umgangen werden; Finanzmarktregulierung sollte durch TTIP ausgeweitet werden usw. Insbesondere stellt der SPD-Beschluss fest, dass Investitionsschutzvorschriften „in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich“ sind.

So weit, so gut. Doch schon in den darauf folgenden Monaten spielte der Konventsbeschluss für Gabriel faktisch keine Rolle mehr. Er begann, ihn rhetorisch und politisch zu verwässern. In einem Mitglieder-Rundschreiben vom 28. Januar 2015 und in einer Zeitungsanzeige anlässlich der großen Demonstration für einen fairen Welthandel am 10. Oktober 2015 in Berlin ist etwa von einer Absage an Sonderklagerechte für Investoren nicht mehr die Rede; Standards sollen zwar noch erhalten werden, aber ihre Gefährdung ist kein Ausschlussgrund mehr. Weitere Abweichungen, die zugleich Aufweichungen sind, finden sich zuhauf.

Der Antrag, den die Parteiführung nun dem Parteitag vorlegt, reiht sich ein in diese Schritte des Verwässerns und Relativierens. Dies wird deutlich, wenn man ihm den Konventsbeschluss vom 20. September 2014 gegenüberstellt – einige Beispiele:

Investorenschutz und Schiedsgerichte
[...]

Öffentliche Daseinsvorsorge
[...]

Einnahmeausfälle durch den Wegfall von Zöllen
[...]

Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards
[...]

Durchsetzung von Standards
[...]

Änderung und Kündigung
[...]

...Erstens taucht darin eine rote Linie der SPD nicht auf, die in der Vergangenheit immer wieder gezogen wurde (wenngleich nicht im Konventsbeschluss). Mehrere Abgeordnete und Gliederungen haben erklärt, die SPD stimme TTIP nur zu, wenn es mit den USA ein „No-Spy“-Abkommen gebe. Davon will der Parteivorstand offenbar nichts (mehr) wissen. Wie überhaupt das Thema Datenschutz in seinem Antrag faktisch keine Rolle spielt.

Zweitens wird das Abkommen CETA zwischen Kanada und der Europäischen Union (auch) im Antrag des Parteivorstands weniger kritisch behandelt als das TTIP-Abkommen zwischen den USA und der EU. Anders als bei TTIP soll es bei CETA lediglich im Bereich Investorenschutz/Schiedsgerichte noch Veränderungen geben (die aber, siehe oben, hinter dem Konventsbeschluss und dem eigentlich Notwendigen zurückbleiben). Dies ist umso unverständlicher, als Kanada seit Kurzem eine der Sozialdemokratie nahestehende, freihandelskritische Regierung hat.

Man kann den Delegierten des Parteitags – im Sinne der Glaubwürdigkeit ihrer Partei und im Sinne einer vernünftigen Außenhandelspolitik Deutschlands und Europas – nur empfehlen, den Antrag des Parteivorstands abzulehnen und sich auch nicht auf einen wie auch immer gearteten Kompromiss einzulassen. Die Partei hat mit dem Konventsbeschluss eine gute und eindeutige Grundlage, um über Pro und Contra zu TTIP und CETA zu entscheiden. Ein weiterer Beschluss ist schlicht unnötig. Er wäre zudem gefährlich, wenn er hinter den Konventsbeschluss zurückfällt, wie es der Antrag des Parteivorstands tut.

Weiterlesen im vollständigen Originaltext bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier

 

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