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26.11.2014 00:00
Juncker und Europa am Gängelband von Großkonzernen
Als vor einigen Tagen die gesamte Weltpresse einhellige Einheit bewies und den ehemaligen luxemburgischen Premierminister und frisch gekürten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker in Bausch und Bogen verdammte, rieb sich der aufmerksame Bürger verwundert die Augen. Sollte es tatsächlich so sein, dass die Presse mit einem Mal die Machenschaften der Politiker ungeschminkt aufdeckt?  [Quelle: kla.tv] JWD




Quelle: kla.tv  | veröffentlicht 23.11.2014

Transkript:

Juncker und Europa am Gängelband von Grosskonzernen 23.11.2014

Guten Abend sehr verehrte Zuschauer. Wir begrüßen Sie ganz herzlich zu unserem heutigen Medienkommentar, den wir mit folgendem Zitat des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt beginnen:
    „In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, dann kann man sicher sein, dass es auf diese Weise geplant war.“
Als vor einigen Tagen die gesamte Weltpresse einhellige Einheit bewies und den ehemaligen luxemburgischen Premierminister und frisch gekürten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker in Bausch und Bogen verdammte, rieb sich der aufmerksame Bürger verwundert die Augen. Sollte es tatsächlich so sein, dass die Presse mit einem Mal die Machenschaften der Politiker ungeschminkt aufdeckt?

Was war geschehen:

Unter dem Regierungsvorsitz von Herrn Juncker entwickelte sich das Fürstentum Luxemburg zum weltweit zweitgrößten Investmentzentrum direkt nach den USA. Möglich wurde dies durch eine sehr freundliche Steuerpolitik für Unternehmen, welche es großen multinationalen Konzernen ermöglichte, ihre Steuerlast auf weniger als 1% zu drücken. So etwas nennt man auch Steuervermeidung. Diese für die Unternehmen sehr vorteilhaften Steuersätze wurden in den letzten 5 Jahren durch Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zwischen dem ehemaligen luxemburgischen Premier Juncker und den Firmenvertretern ermöglicht. Und jetzt tauchen über diese geheimen Steuerabkommen plötzlich 28.000 Seiten hochbrisanter und geheimer Dokumente bei den Pressevertretern auf.

Diese als sogenannte, Luxemburg-Leak“ (Luxemburg-Leck) bezeichneten Dokumente werden zu Recht als schwere Geschütze gegen Herrn Juncker verwendet.

Sind auf einmal Dinge wie diese Steuerabsprachen, die hinter vorgehaltener Hand sowieso bekannt waren, an die Öffentlichkeit gebracht worden, um den europäischen Kommissionspräsidenten Juncker auf Linie zu bringen?

Gibt es ein verborgenes, höheres Interesse, Herrn Juncker gerade jetzt zu diskreditieren? [z.B. von ..hier?]

Diese Beurteilung liegt nahe. Denn es gibt nämlich hinter verschlossenen Türen noch andere, viel gewichtigere Geheimverhandlungen, in die Herr Juncker als europäischer Kommissionspräsident jetzt involviert ist. Gegen diese Verhandlungen gleichen die Luxemburger Steuerdeals eher einem Kindergeburtstag.

Gemeint ist das TTIP- das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA und das dazugehörige “Investor-state dispute settlement”, kurz ISDS.

Mit ISDS sind von der Öffentlichkeit völlig losgelöste Schiedsgerichte gemeint. Sie können im Interesse von Großkonzernen im Streitfall die Rechtsprechung ganzer Länder aufheben und die elementarsten Interessen von europäischen Bürgern aushebeln und zunichte machen. Und genau diese Rechtshoheit der europäischen Staaten wollte Herr Juncker bewahren und hat als europäischer Kommissionspräsident Nachverhandlungen für das Freihandelsrahmenabkommen verlangt.

Hierzu wird Jean-Claude Juncker zitiert, er werde nicht akzeptieren, «dass die Rechtsprechung der Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten durch Sonderregelungen für Investorenklagen eingeschränkt wird»“.

Das geplante Freihandels-Abkommen ist also äußerst umstritten und Kritiker fürchten insbesondere die erwähnten Schiedsgerichte. Diese werden als eine Art unangreifbare Paralleljustiz kritisiert. Man muss damit rechnen, dass sie sogar zum Schutz von Investoren gegen die Interessen von ganzen Ländern entscheiden werden.

Dass Herr Juncker von der Presse nun aufs Korn genommen wird kommt den Multikonzernen sehr gelegen:

Haben diese doch ein großes Interesse daran, dass Herr Junker seine Lektion lernt, sich umbesinnt und die geforderten unabhängigen Schiedsgerichte nun doch zulässt.

Das zeigt nur eins:

Wenn es um zukünftige Gewinne geht, sind die multinationalen Konzerne alles andere als zimperlich und lassen einen alten Weggefährten wie Herrn Juncker auch mal, politisch gesehen, über die Klinge springen, wenn dieser den internationalen Interessen in die Quere kommt.

Dass er in der Vergangenheit genau diesem Klientel in Luxemburg äußerst vorteilhafte Steuerdeals verschaffte, scheint dann nicht mehr zu zählen. Wir werden für Sie weiterhin an dieser Sache dranbleiben und uns auch bemühen, hinter die Kulissen zu blicken, um Ihnen die wirklichen Zusammenhänge aufzuzeigen.

Link zum Originaltext bei ' Klagemauer TV '..hier


Passend zum Thema:

24. 11. 2014 [Quelle: fassbeck-economics / Heiner Flassbeck]
Oettinger führt Juncker und Moscovici vor


Der Vorgang ist unerhört, ja, es ist ein Skandal ohnegleichen. Stellen Sie sich vor, der Minister eines nationalen Kabinetts (zuständig für die digitale Wirtschaft, aber in keiner Weise für Wirtschaftspolitik) würde einige Tage, bevor seine Kollegen und er, allerdings unter der Federführung eines anderen Ministers, eine wichtige wirtschaftspolitische Entscheidung treffen, vorpreschen und über die Presse seinen Kollegen sagen, wie sie zu entscheiden haben. Mehr als das, er würde auch noch durch die Blume damit drohen, dass er die Verantwortlichen eines anderen Landes kennt, die seine Position durchsetzen werden, wenn das gesamte Kabinett nicht seiner Linie folgt. Die Folge in jedem normalen Land der Welt wäre, dass der Regierungschef, um seine Autorität zu wahren, diesen Minister sofort entlässt, in derselben Stunde und mit sofortiger Wirkung.

Der Vorgang ist gerade auf europäischer Ebene passiert, aber man hat nichts von einem Rauswurf Günther Oettingers gehört. In Deutschland hat man fast gar nichts dazu gehört. Oettinger ist in der Financial Times über Frankreich in einer Weise hergezogen, die jeder Beschreibung spottet. Und er hat quasi vorweggenommen, was die Kommission unter Federführung des französischen Kommissars Pierre Moscovici zu entscheiden hat, wenn sie sich nächste Woche mit dem französischen Budget befasst.

Er schreibt bzw. hat schreiben lassen: „For this reason any extension of the deadline by which France must correct its excessive deficit and comply with the stability pact is acceptable only if Paris makes a clear and credible commitment to reform. Yes, some steps have already been taken. But these have been too few and not sufficiently ambitious. … Therefore the commission should link any extension of the deadline to concrete, measurable policy steps; and it should also set the timeline for their implementation.” (Aus diesem Grund ist jedes Hinausschieben des Zeitpunktes, bis zu dem Frankreich sein exzessives Defizit (das öffentliche Defizit ist gemeint, Anm. d. Verf.) korrigieren und sich den Regeln des Stabilitätspaktes anpassen muss, nur dann akzeptabel, wenn sich Paris zu klaren und glaubwürdigen Reformen bekennt. Ja, einige Schritte wurden unternommen. Aber es waren nicht genug und sie waren nicht ehrgeizig genug. Daher muss die Kommission jede Verlängerung des Termins von konkreten, messbaren politischen Schritten abhängig machen und sie muss den zeitlichen Ablauf für ihre Umsetzung festlegen. Übers. D. Verf.)

Abgesehen davon, dass diese Position inhaltlich unhaltbar ist, hat man bisher nicht gehört, dass Günther Oettinger irgendeine ökonomische Expertise aufzuweisen hätte, die es ihm als Person erlaubte, zu einem so delikaten Vorgang in so expliziter Weise Stellung zu nehmen. Die erste Frage muss daher sein, wer ihm diese Position aufgeschrieben bzw. in die Feder diktiert hat. Die zweite Frage muss sein, was damit bezweckt wird, außer dass interessierte Kreise in Deutschland – wie schon bei der Kritik an der Bestellung von Pierre Moscovici (wir haben hier darüber berichtet) – der neuen Kommission schon in deren ersten Tagen zeigen wollen, wer das Sagen in Europa hat. Die dritte Frage muss sein, wer damit vor allem getroffen werden soll.

Offensichtlich geht es im Kern um Jean-Claude Juncker. Der ist von der luxemburgischen Steuerregelungsaffäre schon schwer angeschossen und ihm soll offenbar hier bei der entscheidenden Frage für die Zukunft der Europäischen Union und der Europäischen Währungsunion der letzte Funke von Autorität geraubt werden. Ich bin überzeugt davon, dass man bei den entscheidenden Stellen in Deutschland weiß, dass Juncker eine sehr differenzierte Position zur deutschen Vormachtstellung und zur Austeritätspolitik hat.

Zugleich trifft man den zuständigen Kommissar ins Mark und kann erwarten, dass auch er den deutschen Vorstellungen von der richtigen Wirtschaftspolitik keinen eigenen Gedanken mehr entgegensetzt. Das macht die Sache aus Sicht der hinter Oettinger stehenden Drahtzieher nur besser. Dass damit auch die französische Regierung und der Präsident aus ihrer eigenen Sicht zu Befehlsempfängern der deutschen Seilschaften werden, nimmt man in Kauf. Sie glauben sicherlich, es ginge nur um das politische Überleben von ein paar Sozialisten.

Ob diese Art von „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen-Politik“ auch bewusst in Kauf nimmt, dass ganz Europa mit voller Wucht gegen die Wand fährt, ist die letzte noch offene Frage. Man muss sie aber nicht beantworten. Dass es so kommen wird, ist nicht mehr zu verhindern.

Link zum Originaltext bei ' flassbeck-economics.de '..hier


24. 11. 2014 [Quelle: fassbeck-economics / Heiner Flassbeck]
Streit in der Kommission!
Zu unserem Kommentar von heute morgen (geschrieben am Samstag!) über den erforderlichen Rauswurf von Günther Oettinger passt eine Meldung, die gerade (6 Uhr 21) über die Ticker geht: Euro-Finanzminister verschieben Treffen meldet das Handelsblatt. Wegen der Entscheidung über die Beurteilung des französischen Budgets sei es zum „Streit in der Kommission“ gekommen. Man kann sich vorstellen, was über das Wochenende in Brüssel und Paris los gewesen ist, wie die Telefondrähte geglüht haben. Und schließlich war unsere Einschätzung richtig, wer sich wofür einsetzt. „Die Bundesregierung soll sich im Hintergrund für eine strikte Anwendung der Regeln einsetzen“ steht in der Meldung des Handelsblattes als letzter Satz. Man fragt sich nur, wieso die deutschen Medien bis heute morgen so fest geschlafen haben.

Link zum Originaltext bei ' flassbeck-economics.de '..hier

 
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