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03.01.2014 11:50
Günter Wallraff: „Lug und Trug statt Treu und Glauben“
Günter Wallraff erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen Amazon. Der Online-Versandriese beute Menschen in Kooperation mit den Arbeitsagenturen über die Erschöpfungsgrenzen hinaus aus. Arbeitslose seien gezwungen, in den Werkhallen bis zu 15 Kilometer am Tag zu laufen. Im System aus Überwachung und Dauerdruck komme es immer wieder zu Herzattacken und Kreislaufzusammenbrüchen. Es gab Fälle, wo Diabetikern sogar verboten worden sei, Injektionen und Traubenzucker mit an den Arbeitsplatz zu nehmen. In diesem Licht gewinnt der Tod eines 50-Jährigen bei Amazon in Koblenz an Brisanz. [Quelle: nds.de]  JWD

Das Interview [*] mit Günter Wallraff führte Christoph Hardt

Herr Wallraff, im März kündigten Sie an, ihre Bücher nicht mehr über den Online-Versandhändler Amazon verkaufen zu wollen. Dort führt man ihre Bücher nach wie vor, wie kann das sein?

Ich habe meinen Verlag abverlangt, Amazon nicht mehr zu beliefern – auch wenn das Umsatzeinbußen an die 15 Prozent bedeutet, Tendenz steigend. Der Boykott schließt auch E-Books über das System von Kindle mit ein. Allerdings unterläuft Amazon meinen Boykott, denn Amazon wirbt damit, alle Bücher liefern zu können. Also besorgt Amazon sich meine Bücher bei Zwischenbuchhändlern. Wenigstens können sie da nicht die Rabatte rausschinden, die sie sonst den Verlagen abverlangen. Nach wie vor suche ich nach einem juristischen Hebel, um auch das zu verhindern.

Was stört Sie so an Amazon?

Jeder, der im Verlagswesen oder Buchhandel tätig ist, weiß: Amazon ist eine zerstörerische Kraft der Monopolisierung, die – sollte sich diese Konzept durchsetzen – letztlich zum Schaden von uns allen sein wird. Und danach sieht es leider momentan aus. Besonders Buchhandlungen und Verlage sind die Leidtragenden. Bis zu 60 Prozent Rabatt vom Ladenpreis werden den Verlagen von Amazon abverlangt. Das ist ruinös. Hinzu kommen Rückgaberecht, kostenlose Lieferung und was weiß ich noch alles… da sind die kleineren Verlage schnell unter ihrem Herstellungspreis. Erste kleinere Verlage boykottieren Amazon deshalb. Auch darf man nicht vergessen, dass der Konzern in Deutschland – obwohl wir nach den USA das Land mit den meisten Bestellungen kaum Steuern bezahlt.

Fühlen Sie sich hierzulande allein im Kampf gegen Amazon?

Keineswegs. Ich bin mit weiteren Autoren im Gespräch, die sich meinem Boykott anschließen wollen. Immer mehr Menschen begreifen, was für eine gezielte Vernichtung des Buchhandels und letztlich auch der Verlage Amazon vorantreibt. Aktuell sägt der Konzern über Brüssel an der Buchpreisbindung. Bisher sind glücklicherweise vor allem Frankreich, Österreich und Deutschland noch standhaft. Sollte hier aber eine Lockerung eintreten, steht uns eine Verarmung der kulturellen Vielfalt bevor – und dann könnte Amazon letztlich auch unser Leseverhalten beeinflussen.

Ist das nicht übertrieben?

Ich befürchte, ich untertreibe eher: Wer einen Kindle-Reader hat, sitzt in der Falle, ist an Amazon gebunden. Und über Kindle-Geräte analysieren sie per Algorithmen das Leseverhalten der Nutzer im großen Stil: Was wird gelesen, was markiert. NSA lässt grüßen, die arbeiten ja ähnlich. In den USA ist das bereits sehr effektiv. Dort finden die Ergebnisse aus dieser Kindle-Überwachung bereits Berücksichtigung, erste Autoren richten ihre Geschichten nach dem aus, was gefällig ist. So züchtet man ein auf vordergründige Bestsellerbedürfnisse getrimmtes Leseverhalten heran. Huxley’s Brave New World ist da längst keine Fiktion mehr. [..]

Weiterlesen im Originalartikel bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier


[*] Das Interview wurde im Dezember 2013 geführt.

Günter Wallraffs letztes Buch „Aus der Schönen neuen Welt – Expeditionen ins Landesinnere“ ist inzwischen in einer erweiterten Neuauflage erschienen (384 Seiten, KiWi-Verlag, ab 9.99 als Taschenbuch)



Passend dazu die Volksverdummung durch unsren Qualitätsjournalismus:

03.01.2014 [FAZ]
Aus dem Maschinenraum
Roboter rücken bei Amazon vor
Wer über Mindestlohn streitet, sollte die Automatisierung mancher Arbeitsbereiche nicht vergessen. In den Lagerhallen von Amazon sind Roboter dabei, die Menschen zu ersetzen. Die wenigen, die bleiben, steuert die Software.

Es ist nun mehr als ein Jahr her, seit der große amerikanische Allesverkäufer Amazon siebenhundert Millionen Dollar auf den Tisch legte und eine Firma erwarb, die zwei zusammengehörige Produkte entwickelt: Roboter mit der passenden spezialisierten Software für die Abwicklung von Bestellungen. Die Rede ist von Kiva Systems aus Massachusetts. Nicht, dass Amazon plötzlich entdeckt hätte, dass sich eine Roboterisierung der Abläufe lohnen würde - das setzt der Gigant unter den Online-Shops schon seit Jahren um.

Die vor zehn Jahren gegründete Firma Kiva bietet jedoch Systeme an, die ein Warenlager selbständig, parallel arbeitend und jeden Tag rund um die Uhr betreiben: Jedes der Systeme ordnet und sortiert alle Gegenstände in den Hallen und bewegt sie bei Bedarf zur gewünschten Position. Das heißt, dass kein Lagerarbeiter mehr zum Regal gehen muss, sondern jede gesuchte Ware zum richtigen Zeitpunkt direkt vor den Packplatz gefahren wird. Die Roboter von der Größe eines anständigen Rasenmähers schieben sich jeweils unter das Regal, heben es wenige Zentimeter an und befördern es zur von der zugehörigen Software festgelegten Position. [..]  [Quellen: faz.net ]

Weiterlesen im Originalartikel bei ' faz.net ' ..hier


Anmerkung zum Hinweis in den Nachdenkseiten von Orlando Pascheit :
    Die FAZ kann es nicht lassen und versucht die Streiks bei Amazon und die Einführung des Mindestlohns mit dem Automatisierungspotential zu verknüpfen. “Sobald durch Mindestlohn oder Tarifvereinbarungen die Kosten für die Arbeiter diejenigen eines Kiva-Robotersystems überschreiten, wird der Konzern kaum zögern, die lästigen potentiellen Streikenden ‘freizusetzen’.”Auch wenn im nächsten Satz die Notwendigkeit eines flächendeckenden Mindestlohns eingeräumt wird, “um prekäre, unwürdige Arbeitsverhältnisse zu beenden”, so schwingt doch mit, dass dieser nicht zu hoch ausfallen darf, sonst kommen die Roboter. Das ist Unfug und tendenziös. Amazon wie auch Foxconn (in China!), werden unabhängig von der Lohnhöhe auf Automatisierung und Roboter setzen. Rund um die Uhr bei gleichbleibender Qualität, das ist der Trend – nicht nur bei Amazon. Wer je einen Blick auf die Karosseriefertigung in einer modernen Automobilproduktion werfen konnte, erblickt ein Roboterballett in einer menschenleeren Halle. [Quelle: nds.de]


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