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06.12.2013 13:45
Mein Rat an SPD-Mitglieder: Sagt Nein zum Koalitionsvertrag
Albrecht Müller - Der Grafiker Klaus Staeck hat gestern in der Frankfurter Rundschau für die Zustimmung zum Koalitionsvertrag geworben, unter anderem mit dem Hinweis, „dass sogar die stets kritischen Gewerkschaften dem Ergebnis zustimmen“. Bei aller Liebe, das ist dann doch zu viel irreführende Propaganda für diesen Koalitionsvertrag. Wie Klaus Staeck auch sah ich keine wirklich vorhandene Möglichkeit, den Eintritt in Verhandlungen zur Bildung einer großen Koalition zu vermeiden. Aber das Ergebnis der Verhandlungen ist enttäuschend für Sozialdemokraten. Hier haben jene in der SPD die Feder geführt, die uns auch die Agenda 2010 eingebrockt haben. [Quelle: nds.de] JWD

Die Verhandlungen hätten die Chance geboten, wenigstens ein bisschen von diesem Pfahl im Fleisch der Sozialdemokraten abzurücken. Das ist nicht geschehen. Es ist deshalb wichtig, dass möglichst viele Sozialdemokraten bei der Mitgliederbefragung ein Zeichen setzen und sagen: „So nicht, Nein“.

Wenn der Koalitionsvertrag eine überschwänglich große Zustimmung erführe, dann fühlen sich die Agenda 2010 Befürworter bestärkt und gerechtfertigt. Es ist jetzt ja schon kaum auszuhalten, was ihre Vertreter von sich geben. Siehe die Rede des Fraktionsvorsitzenden Steinmeier vor dem Arbeitgeberverband, die Sie hier hören und nachlesen können.

Wolfgang Lieb hat den Koalitionsvertrag gewissenhaft geprüft und seine Erkenntnisse hier und hier aufgeschrieben. Jens Berger hat sich hier dazu geäußert.

Selbst wenn die Ergebnisse der Verhandlungen ein bisschen positiver zu bewerten wären, würde ich vermutlich nachher meine Stimmzettel mit einem Nein zurücksenden. Ich möchte mit dem Nein jene stärken, die sich von der Agenda 2010 ablösen wollen und die SPD für ein Bündnis mit Linken und Grünen öffnen wollen. Jedes überwältigend positive Abstimmungsergebnis wird nämlich von den Rechten in der SPD so interpretiert werden, dass die im Text des Koalitionsvertrags angelegte weitere Fixierung auf Agenda 2010, auf Privatisierung der Altersvorsorge, auf Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, auf die Schuldenbremse und damit auf die weitere Zurückführung des öffentlichen Auftrags und auch die Fortsetzung der Austeritätspolitik und damit der Katastrophenpolitik in Europa bestätigt wird. Dass kein Anflug einer Neuorientierung in der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik erkennbar ist, muss man als einen Skandal bezeichnen.

Diesen Vertrag bestätigen? Tun sie das nicht. Setzen Sie ein Zeichen für eine Neubesinnung der SPD Führung, falls man das überhaupt erwarten kann.

P.S.: Diesen Beitrag habe ich auch deshalb geschrieben, weil ich die Propaganda und Meinungsmache für das Ja zum Koalitionsvertrag für unerträglich halte. Dass die SPD Führung versucht, eine Mehrheit zu bekommen, kann ich ja verstehen. Dass aber auch noch Klaus Staeck mit der Behauptung daherkommt, die Gewerkschaften seien „stets kritisch“ gewesen und deshalb sei ihre Unterstützung des Koalitionsvertrags besonders bemerkenswert, finde ich nicht akzeptabel. Die Gewerkschaften waren gegenüber Schröder, Steinmeier, Müntefering, Riester und ihren Agendaplänen so unkritisch, dass sie die Zerstörung des Vertrauens in die gesetzliche Rente wie auch die de facto Zerstörung der Arbeitslosenversicherung durch die Hartz Reformen mit gemacht haben. Mitgehangen mitgefangen – das ist der wahre Grund für die Zustimmung dieser ach so kritischen Gewerkschaften zum Koalitionsvertrag.

Link zum Originalartikel bei ' nds.de ' ..hier


Anmerkung: Respekt vor Albrecht Müller, der sich diese Entscheidung als eingefleischter Sozialdemokrat sicherlich nicht leicht gemacht hat. Aber in Anbetracht eines solchen Schmierentheaters, wie es vor unser aller Augen, durch die von der Wirtschaft korrumpierten Politiker und den weitgehend monopolisierten, fast gleichgeschalteten Massenmedien inszeniert wird, ist dies die wirklich beste Empfehlung, die man geben kann. Heiner Flassbeck hat zu diesem Thema bereits vor einigen Tagen einen guten Artikel veröffentlicht, der klar macht, wie wenig staatstragend es ist, wenn sich die SPD einmal mehr neoliberal missbrauchen lässt.


02.12.2013 [Quelle: flassbeck-economics.de]
Wofür ist man, wenn man gegen eine große Koalition ist?

Die Titelfrage wird mir oft gestellt, und ich will versuchen, sie ganz klar zu beantworten. Ich bin dafür, die CDU/CSU immer wieder auf die Suche nach Mehrheiten zu schicken. Die beiden konservativen Parteien sind stolz darauf, dass sie die Wahl gewonnen und fast eine absolute Mehrheit erreicht haben, doch ihnen ist der „natürliche“ Koalitionspartner abhanden gekommen. Es gibt eine potenzielle Mehrheit auf der linken Seite im Bundestag, aber die traut sich nicht, hat nicht das Führungspersonal oder ist nicht einig genug in den Sachfragen, um effektiv zusammenarbeiten zu können. Das ist in gefestigten Demokratien die klassische Situation, in der die mit Abstand stärkste Fraktion eine Minderheitsregierung bildet.

Sowohl für die Wahl der Kanzlerin als auch für alle weiteren Entscheidungen müssen CDU und CSU dann auf die Suche nach Unterstützern in den anderen Parteien gehen. Das ist nicht leicht, aber sehr gut für die Demokratie. Es öffnet nämlich die Debatte und führt in vielen Situationen erst zu einer ernsthaften Diskussion, weil man Abgeordnete aus anderen Fraktionen inhaltlich überzeugen muss. Wer sagt, das sei das letzte, was Deutschland in einer schwierigen Situation brauche, nämlich instabile Verhältnisse einer Minderheitsregierung, muss sich fragen lassen, was repräsentative Demokratie im Gegensatz zu einer reinen Parteiendemokratie ist.

Wenn Frau Merkel verspricht, eine Politik zu machen, die viel mehr Aspekte berücksichtigt, als jetzt im Koalitionsvertrag stehen, kann sie jederzeit damit rechnen, die notwendigen Mehrheiten im Bundestag zu gewinnen. Freilich muss man dafür sofort und ein für alle Mal die undemokratische und grundrechtswidrige Institution abschaffen, die „Fraktionszwang“ genannt wird. Ein Abgeordneter, der sich seinem Gewissen verpflichtet fühlt, wird in einer solchen Konstellation bei jeder anstehenden Entscheidung sehr genau überlegen, ob er mit der stärksten Fraktion stimmt und ihr so zu einer Mehrheit und der Demokratie zu einer Entscheidung verhilft. [..]

Angesichts der Fehlentwicklung und der schweren Krise in Europa, die maßgeblich auf eine verfehlte deutsche Politik zurückzuführen ist, ist genau das die Attitude, die Europa sich von seinem wirtschaftlich stärksten Mitgliedsland wünscht. Hätte Herr Schäuble seine nur absurd zu nennende Position zur Überwindung dieser Krise („Austerität ist die einzige Lösung“) so vertreten, wenn er Finanzminister einer Minderheitsregierung gewesen wäre? [..] Hätte Frau Merkel einen so dramatischen Schwenk in ihrer Position (von der Staatsschuldenkrise zur Krise der Wettbewerbsfähigkeit) vollziehen können, ohne auch nur den Versuch zu machen, im Parlament detailliert zu erklären, was sie dazu bewogen hat?

Nein, eine Minderheitsregierung in Zeiten großer Unsicherheit und komplexer Herausforderungen würde nur dann die Lage destabilisieren, wenn man genau wüsste, dass eine Mehrheitsregierung auf jeden Fall alles richtig machte. Da nichts für letzteres spricht, dürfte es genau umgekehrt sein: Die Intensität der Auseinandersetzungen nimmt erheblich zu und damit die Wahrscheinlichkeit, dass vernünftige Lösungen gefunden werden.

Und wenn sich die christlichen Parteien beharrlich weigern würden, diesen Weg zu gehen, was angesichts des Machthungers dort allerdings sehr unwahrscheinlich ist, ja dann müsste die Opposition sich erneut und ernsthafter fragen, ob sie nicht doch ihre Mehrheit dazu nutzen will, um selbst einen Bundeskanzler zu wählen (oder Kanzlerin), der seinerseits immer wieder versucht, seine geringe Mehrheit dadurch zu sichern, dass er eine Politik macht, die auch für andere zustimmungsfähig ist. Wieder wäre mehr Demokratie gewagt und vermutlich auch gewonnen.

Weiterlesen im vollständigen Artikel bei ' flassbeck-economics.de ' ..hier


 
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