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14.10.2013 10:25
Scharlatane wollen Griechenland germanisieren - Europa am Abgrund?
Es war wohl ein Schock für Heiner Flassbeck, den er bei einer Diskussionsrunde in Griechenland erleiden musste. Scharlatanerie scheint mir ein zutreffender Begriff dafür zu sein, was ich aus Flassbecks Bericht über seine Diskussionspartner und Pseudoexperten herauslesen kann. Unglaublich wie unverstanden und dogmatisch, hirnlose, neoliberale Glaubenssätze heruntergebetet werden, ohne die Zusammenhänge auch nur ansatzweise zu begreifen. Dass erinnert doch sehr an die ultrarechten Religioten der amerikanischen Fundamentalisten unsrer Tage, die gerade versuchen wegen Obamacare die US-Regierung lahm zu legen. JWD

Heiner Flassbecks lesenswerter Artikel hilft dabei, besser zu verstehen, was eigentlich nicht zu verstehen ist:
    Die Germanisierung Griechenlands und ihre Folgen
    Nach meiner langen Vortragswoche in Österreich und Deutschland bin ich am Samstag morgen in aller Frühe noch nach Athen gejettet, um an einer vierstündigen Diskussion von fünf Ökonomen bei der Eröffnung der 4. Athener Biennale teilzunehmen. Ich hätte es lieber nicht tun sollen, denn dann hätte ich nicht die letzte Hoffnung verloren, dass die Europäische Währungsunion noch zu retten ist.

    Man kann sich so eine Diskussion ganz gut als Theaterstück vorstellen. Es treten also auf: Ein italienischer Ökonom, der eigentlich die Aufgabe hat, die europäische Krise zu erklären, es aber nicht tut, weil in seinem Weltbild überhaupt keine Krise auftreten kann, die nicht allein durch das Versagen staatlicher Institutionen verursacht ist. Deswegen vergleicht er die USA und Europa und fragt, welche Institutionen Europa noch brauche, um so zu werden wie die USA. Eine irische Ökonomin, die über Irland redet, aber vergisst, dass das Thema eigentlich Europa war. Zwei im Ausland ausgebildete und arbeitende griechische Ökonomen, die lang und breit darlegen, warum ihr Land eigentlich die schlechteste Wirtschaft der ganzen Welt hat und warum ohne eine vollständige Germanisierung Griechenlands die ganze Sache mit Sicherheit den Bach runter geht. Zu allem Überfluss wird aus den USA noch ein Ökonom per Video zugeschaltet, der viel über Griechenland und nichts über Europa weiß. Ein deutscher Ökonom tritt auf, von dem alle im Publikum erwarten, dass er den Griechen erklärt, dass das mit ihrem Schlendrian nicht so weiter geht, der aber komischerweise vor allem über Deutschland und Frankreich redet und den Griechen sagt, sie sollten aufhören zu jammern und ihr gutes Wetter, das Meer und den Wein genießen, so weit sie nach der bisherigen „Sanierung“ des Landes dazu noch in der Lage sind.

    Dann nimmt das Drama seinen Lauf, weil der deutsche Ökonom ungebremst auf den italienischen Professor prallt, dass die Fetzen nur so fliegen und die griechischen Professoren – als Kollateralschaden – schwer getroffen werden. Zum Erstaunen des Publikums sind sich die Ökonomen selbst über das scheinbar Einfachste total uneinig, weil es eigentlich nur um die Frage geht, woher die Inflation kommt und welche Rolle die nationale Produktivität spielt, wenn man in einer Währungsunion ist. Richtig begreifen tut das Publikum auch nicht, warum der Deutsche immer auf ein Bild mit Inflation und Lohnstückkosten wie einst Galilei auf seine Sterne zeigt, während sich die anderen bemühen, da genau nicht hinzugucken. Nach vier Stunden hin- und herwogender Diskussion (oder das, was die Ökonomen scheinbar für eine Diskussion halten) sind alle total abgeschlafft, und das Publikum ahnt, dass das Stück mit dem Namen Europa, über das die da geredet haben, ein schlimmes Ende nehmen wird.

    Ja, das Einfachste ist offenbar das Schwerste. Die drei kleinen logischen Schritte von der Frage, was bei einer Währungsunion harmonisiert wird (die Inflationsraten), über die Frage, welche Größen die Inflationsraten vorwiegend bestimmen (die Lohnstückkosten) bis hin zu der Schlussfolgerung, dass man die Lohnstückkostenentwicklung harmonisieren muss, wenn die Währungsunion von Dauer sein soll, sind für einen normal (neoklassisch) ausgebildeten Ökonomen nicht hinzukriegen. Weil sie das wegen ihrer neoklassischen Denkblockade (wenn die Lohnstückkosten die Inflation bestimmen, können die Löhne ja nicht für die Arbeitslosigkeit verantwortlich sein) nicht nachvollziehen können, fallen sie immer wieder auf die Position zurück, die Produktivitätsunterschiede in Europa seien in einer Währungsunion nicht zu überbrücken. [..]

    Die armen Griechen. Sie müssten nicht germanisiert werden. Sie dürften Griechen bleiben. Sie müssten sich nur, genau wie die deutschen, an ihre eigenen Verhältnisse anpassen und das gemeinsam beschlossene Inflationsziel respektieren. Nicht mehr und nicht weniger.

    Dass mir dann beim späten Abendessen in Athen aber die anderen Ökonomen unisono erklärten, ich habe ja eigentlich Recht und sie würden mir schon im Grundsatz zustimmen, konnte ich nur noch mit einem großen Glas Ouzo verdauen. [Quelle: flassbeck-economics.de]
Weiterlesen im vollständigen Originaltext bei ' flassbeck-economics.de ' ..hier


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