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07.06.2013 16:45
Merkels Euro-Waterloo
Berlin - Das Eingeständnis des Internationalen Währungsfonds (IWF), es habe beim Hilfsprogramm für Griechenland massive Fehler gegeben, ist das Waterloo für Angela Merkels Euro-Krisenpolitik. Ursprünglich war Angela Merkel stolz darauf, den IWF für das erste 110-Milliarden-„Hilfsprogramm“ für Griechenland mit ins Boot geholt zu haben: „Ohne Deutschland wäre es zu einer Einbeziehung des IWF nicht gekommen“, so die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung am 5. Mai 2010. [Gastkommentar von S. Wagenknecht im Handelsblatt]  JWD

Denn, so Merkel, der IWF habe „wertvolle Erfahrungen“, die „unverzichtbar“ für eine „erfolgreiche Umsetzung des griechischen Sanierungsprogramms“ seien. Mit „wertvollen Erfahrungen“ war die sogenannte Austeritätspolitik des IWF gemeint, also das brutale Kürzungsdiktat von Löhnen, Renten und Sozialausgaben.

Diese Politik ist nicht nur unsozial. Sie geht auch, wenn man den Äußerungen der Verantwortlichen trauen darf, von der falschen Diagnose aus. Maßgeblich Schuld an der sogenannten Euro-Krise waren nicht die Menschen, die angeblich in den Krisenländern über ihre Verhältnisse gelebt haben. Das zeigt die Entwicklung der Produktivität im Verhältnis zu den Löhnen dieser Länder, ausgedrückt in den Lohnstückkosten. Schuld waren stattdessen die immensen Kosten der Bankenrettungen und die Ungleichgewichte in der Eurozone.

[Auszüge]:
Griechenland-Rettung IWF-Fehler bringen Merkel in die Defensive
Das Eingeständnis des IWF, es habe massive Fehler bei der Griechenland-Rettung gegeben, ist ehrlich und bitter zugleich. In Deutschland formieren sich nun die Kritiker von Merkels Euro-Politik. Und fordern Konsequenzen.

Letztere hervorgerufen durch die Fehlkonstruktion der Währungsunion, die es Deutschland ermöglichte, durch Lohn- und Sozialdumping seine Handelsbilanzüberschüsse extrem zu Lasten der europäischen Partner auszudehnen. Die Bundeskanzlerin wollte aber die sogenannte Euro-Krise lösen, ohne die deutschen Exportüberschüsse aufzugeben und ohne die Banken in Haftung zu nehmen. [..]

Ersteres, [..] hätte eine Abkehr von der Agenda-2010-Politik nötig gemacht. Dafür hätten die Rahmenbedingungen in Deutschland für deutlich höhere Löhne und Investitionen geschaffen werden müssen. Das würde keinen Verzicht auf Exporte bedeuten, wie oft kolportiert wird, sondern die inländische Verwendung des in Deutschland produzierten Wohlstands für die Menschen, die diesen Wohlstand hier produziert haben.

Ähnlich argumentiert auch der neue Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Er stellt die Frage, ob es für Deutschland nicht vielleicht sinnvoller sei, mehr Geld in die eigene Zukunft zu investieren sowie für mehr Beschäftigung und höhere Löhne auszugeben, „anstatt es wie bisher in Finanzprodukte im Ausland anzulegen, etwa in dubiose amerikanische Subprime-Immobilienkredite oder marode Banken“. [..]

Bereits seit den Verhandlungen zum sogenannten zweiten Hilfspaket für Griechenland im Herbst 2012 pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Der IWF und der Rest der Troika kommen bei der Bewertung des Programms für Griechenland nicht mehr auf einen Nenner. Der IWF sah die mittelfristige Schuldentragfähigkeit im Programm für Griechenland bis 2020 als nicht gegeben an, da die Schuldenquote dann immer noch über 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts liegen soll. Deshalb verlangte der IWF einen weiteren Schuldenschnitt. Insbesondere für Merkel kam das vor den Bundestagswahlen nicht in Frage. Der faule Kompromiss war dann der Schuldenrückkauf, von dem insbesondere die Hedgefonds profitiert haben. [..]

Zu optimistisch, zu blauäugig - zu wenig energisch: Ungewöhnlich klar kritisiert der Internationale Währungsfonds sich selbst in Sachen Griechenlandrettung. Doch harsche Worte gibt es auch für andere.

Griechenland: IWF räumt Fehler bei Rettungsaktion ein
Dafür redet der IWF auch in der Frage des Schuldenschnitts jetzt Tacheles: Um die Banken im Falle Griechenlands in die Haftung zu nehmen, hätte es bereits 2010 einen harten Schnitt bei den griechischen Staatsschulden geben müssen. Die Linke hatte dies als einzige Bundestagspartei bereits damals gefordert. Stattdessen bekamen die Banken, Hedgefonds und privaten Gläubiger seitdem knapp 180 Milliarden Euro zurückgezahlt. Finanziert durch „Hilfskredite“ für Griechenland in fast derselben Höhe. Für diese Kredite haftet jetzt der Steuerzahler. Auch dazu bekam Merkel regelmäßig im Parlament die Rückendeckung von Rot-Grün. Jetzt gibt der IWF offen zu, dass die Verschleppung des Schuldenschnitts ein Fehler war.

Mit dem Bekanntwerden des internen Berichts des IWF, in dem faktisch das Scheitern der Griechenland-Rettung eingeräumt [..] Der deutschen Öffentlichkeit, die inzwischen mit hohen zweistelligen Milliardenbeträgen für Griechenland haftet, ist ein Weitermerkeln bis nach der Bundestagswahl nicht zuzumuten. [Ende Auszüge]

Weiterlesen im vollständigen Originaltext bei ' handelsblatt.com ' ..hier


Anmerkung: Sahra Wagenknechts Feststellungen über die Auswirkungen merkelscher Politik sind wohl für die meisten ernstzunehmenden, ideologiefernen Ökonomen unstrittig. Leider hat die neoliberale Meinungsmache bislang verhindert, dass auch in Deutschland die ökonomischen Zusammenhänge weniger diffus erscheinen und von einer breiteren Öffentlichkeit begriffen werden. Demagogen der verschiedensten Interessengruppen nutzen das weit verbreitete Unwissen dazu aus, ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen auf Kosten der Allgemeinheit durchzusetzen.

Liest man im Handelsblatt die Kommentare der Leser, unterstellt es sind keine Mietfedern, dann wird dieser Sachverhalt deutlich. Das Wesen und die funktionalen Zusammenhänge der Währungsunion sind nicht verstanden. Was raus kommt ist überwiegend Geschwafel oft mit dummer Polemik gepaart!!

Ein Leser schreibt sinngemäß, "unsere" wichtigen Handelspartner seien nicht die Südeuropäer, sondern USA, China, usw.. Diese Behauptung ist natürlich Schwachsinn, denn wenn von "unser" gesprochen wird, kann es eigentlich nur um innereuropäischen Handel mit den Unionspartnern gehen. Dieser Anteil macht ca. 80% unseres Außenhandels aus. Wegen der deutschen Niedriglohnpolitik ist ein dauerhaftes Handelsungleichgewicht gegenüber den Mitgliedsländern entstanden. Ein riesiger Überschuss wurde aufgebaut, weil die Kaufkraft (Löhne) bei deutschen Konsumenten nicht entsprechend des gemeinsamen Inflationsziels zuzüglich der Produktivitätssteigerung gestiegen ist. In Folge dessen wird zu wenig aus den Partnerländern importiert.

Spricht man vom Außenhandel mit der übrigen Welt, sollte man bedenken, dass das Wort "unser" zunächst einmal durch "wir" ersetzt werden müsste. Wir bedeutet vornehmlich die europäische Währungsunion. Bei diesen Wirtschaftsbeziehungen mit außereuropäischen Handelspartnern haben wir variable Wechselkurse zum Euro. Diese spiegeln die Produktivität (Lohnstückkosten) der gesamten WU im Verhältnis zu den Fremdwährungen wider. Lohndumping bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität führt zur Aufwertung des Euro. Mutmaßliche Wettbewerbsvorteile durch Lohndumping lösen sich dadurch in Wohlgefallen auf und führen auf Dauer in die Depression.

Die Deutschen verschanzen sich in der Währungsunion, um vor einer, für Deutschland eigentlich notwendigen und gerechten Aufwertung geschützt zu sein. Das Bild vom  "Hecht im Karpfenteich" ist deshalb nicht abwegig. So kann ein gemeinschaftliches, demokratisches Europa, mit freien und gleichen Grundrechten für alle Menschen nicht funktionieren. Aber im Weltbild der Kanzlerin hat dies offensichtlich sowieso keine besondere Priorität. Schon vor einiger Zeit lies sie uns wissen, was wir nicht haben. Danach hätten wir wahrlich keinen Anspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft für alle Ewigkeit!




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