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01.11.2012 18:30
Neoliberalismus: Die Würde des Menschen ist nicht unantastbar
Verkehrung der Werte - Nachdem der 2. Weltkrieg mit vielen Millionen Toten 1945 endlich überstanden war, waren die Schuldigen, die Eliten des 3. Reiches fast vollständig untergetaucht. Unter diesen Voraussetzungen konnten die verbliebenen Menschen mit Hilfe der Sieger ein neues Staatswesen aufbauen, dass nach sozialen Gesichtspunkten entwickelt wurde. Die neoliberale Seuche konnte sich noch nicht verbreiten, denn die Apologeten hatten sich gerade erst formiert und dementsprechend noch wenig Einfluss. Es entstand eine Verfassung (Grundgesetz), die noch heute mustergültig ist. JWD


Vermutlich würde eine ähnlich fortschrittliche Verfassung heute nicht mehr zustande kommen. Wir sind schon deshalb gut beraten, wenn wir unser Grundgesetz vor feindlichen Angriffen, insbesondere aus der neoliberalen Ecke, verteidigen und bewahren.

Leider sind es gerade die Mächtigen der herrschenden Kreise, die ununterbrochen unser Grundgesetz untergraben und aushöhlen. So ist z.B. das Sozialstaatsgebot fast nicht mehr das Papier wert, auf dem es geschrieben steht. 

Jens Berger schreibt dazu in seinem  Artikel vom 31.10.2012 mit der Überschrift - Die Würde des Menschen ist antastbar - einen lesenswerten Aufsatz.

Auszug: Nach weit verbreiteter Vorstellung ist Deutschland ein Sozialstaat, in dem der Staat dafür Sorge trägt, dass kein Mensch unter einem menschenwürdigen Existenzminimum leben muss. Die deutsche Sozialgesetzgebung und deren Auslegung durch die Bundesanstalt für Arbeit sehen dies jedoch anders. Hält sich ein Hilfsbedürftiger nicht an die Regeln der Bundesanstalt, können im Einzelfall sogar sämtliche staatlichen Leistungen gestrichen werden. Dann verbleiben den betroffenen Bürgern nur noch Sachleistungen wie Lebensmittelgutscheine im Wert von 172 Euro pro Monat. Diese Regelungen, die sich unter dem Begriff „Sanktionen“ zusammenfassen lassen, verstoßen nicht nur gegen die Würde des Menschen, sie sind auch volkswirtschaftlich verheerend. Wie kaum anders zu erwarten, gibt es auch Profiteure dieser Regelungen – Profiteure, die weit davon entfernt sind, selbst in existenzielle ökonomische Not zu geraten, nämlich die Arbeitgeber.
 
  Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind… Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.

Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.“

Der unmittelbare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gewährleistet „sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen.“ (Rdnr. 135)

„Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt.“ (Rdnr. 137)
 

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010
Um die Menschenwürde auch materiell zu gewährleisten, steht jedem Bürger eine staatlich garantierte Grundsicherung zu – dies ist eine direkte Folge des Sozialstaatspostulats im deutschen Grundgesetz. Nach den Berechnungen des Deutschen Bundestags liegt das Existenzminimum in diesem Jahr bei 7.896 Euro pro Jahr bzw. 658 Euro pro Monat.

Daraus errechnet sich nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts der aktuelle Hartz-IV-Regelsatz (der allerdings noch nicht die Miet- und Heizkosten beinhaltet) von 374 Euro pro Monat für Alleinstehende. Dieser Regelsatz, der von vielen kritisch gesehen wird, entspricht nach Auslegung der Bundesregierung dem soziokulturellen Existenzminimum, dessen Gewährleistung dem Staat durch das Grundgesetz vorgeschrieben ist.

Im Juni dieses Jahres mussten jedoch laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit mindestens 147.150 Menschen unter dem Existenzminimum leben, obwohl sie den Staat um Hilfe gebeten hatten. Schuld an dieser staatlich gewollten Armut sind Sanktionierungsmaßnahmen der Ämter, die durch §31 des zweiten Sozialgesetzbuchs ermöglicht werden. Fördern und Fordern, so lautete der Slogan der Hartz IV-Gesetzgebung. Die bittere Realität zeigt jedoch, dass die Ämter vielfach eher nach dem Slogan Fordern und Sanktionieren verfahren. Wer nicht spurt, wird bestraft – und koste es die Menschenwürde. [...]

Link zum vollständigen Artikel bei ' nds.de '  ..hier

 
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