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04.10.2012 11:45
Ungleichheit und Instabilität: «Unsere Banken sind Motoren des Niedergangs»
Wachsende Ungleichheit weist auf eine zunehmend instabile Wirtschaft hin: Je weiter sich die Schere zwischen Arm und Reich öffnet, desto näher rückt die grosse Krise. Der US-Ökonom James Galbraith belegt dies in seinem neusten Buch mit einer Menge Daten. [Quelle: WOZ] JWD


Ein Interview von Lotta Suter mit Jeams Galbraith in der in Zürich erscheinende Wochenzeitung "WOZ" ist sehr aufschlussreich. In seinem neuen Buch weist er wissenschaftlich nach, dass ein direkter Zusammenhang von wachsender Ungleichheit und instabiler Wirtschaft besteht.

[Zitat] "Meine ökonomischen Studien ergaben, dass Ungleichheit sehr empfindlich auf wirtschaftliche Schwankungen reagiert. Ich vergleiche das gerne mit dem Blutdruck. So wie beim Blutdruck gibt es auch bei der wirtschaftlichen Ungleichheit so etwas wie eine akzeptable Bandbreite. In diesem «gesunden» Bereich ist «tiefer» meistens besser. Und wenn der Blutdruck – oder die Ungleichheit – rasch ansteigt, dann ist das ein Anzeichen dafür, dass man auf eine Krise zusteuert. Ungleichheit ist ein guter Gradmesser für den Gesundheits­zustand des Systems.

[..] Aus unserer Forschung wurde klar ersichtlich, dass es für den Verlauf der Ungleichheit in den letzten dreißig Jahren globale Muster gibt.

[..] Die Regierungen haben sich in diesen Jahren nicht groß um die Zunahme der Ungleichheit auf dem ganzen Globus gekümmert. Sie hingen mit Überzeugung der freien Marktwirtschaft an, und sie nahmen die Folgen dieser Wirtschaftsweise ohne Wimpernzucken hin. In der Tat war die Umverteilung von Arm zu Reich in den achtziger Jahren grundlegend für die Politik der USA und anderer reicher Länder.

[..] Das alles ist kein Geheimnis. Ich versuche bloß, möglichst genaue Daten zu liefern, damit wir besser verstehen, was eigentlich passierte, wann genau es passierte, wann alles anfing und wann es zu Ende ging. Die wissenschaftliche Aufbereitung macht es schwieriger, die Wirklichkeit zu verschleiern". [Zitat Ende]

Zur sogenannten Sparpolitik in Europa sagte Galbraith:
[Zitat] "Dieser Sparkurs wird der Bevölkerung mit den immer gleichen Lügen und Unwahrheiten verkauft. Das Konzept der flexiblen Löhne ist eines dieser Ammenmärchen. Was ist mit den Löhnen in der Krise tatsächlich geschehen?

Am unteren Ende sind die Löhne in ganz Europa scharf gefallen. Das ergab eine enorme Zunahme von Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Doch die Arbeitslosigkeit nahm nicht ab, sie nahm zu. Dass eine größere Ungleichheit in der Lohnstruktur zur Lösung des Arbeitslosigkeitsproblems beiträgt, ist nachweislich falsch. In Europa haben die Länder mit weniger Ungleichheit auch weniger Arbeitslosigkeit.

Die Zunahme der Arbeitslosigkeit in Europa ab den siebziger Jahren hat einen ganz anderen Grund als die vermeintlich «starre Lohnpolitik». In dieser Zeit entstand nämlich die Europäische Union. Die Investitionsmöglichkeiten und der Arbeitsmarkt nahmen europäische Dimensionen an. Und dieser neue Wirtschaftsraum war als Ganzes viel ungleicher – und damit auch instabiler –, als die einzelnen Nationen es vorher waren".  [Zitat Ende]

Auf die Frage, welche Akteure überhaupt eine andere Wirtschaftspolitik lancieren könnten, gesteht Galbraith ein, er habe dazu keine gute Antwort. Er versuche nicht eine neue politische Bewegung zu gründen und wolle lediglich, faktisch begründete, konzeptionelle Grundlagen geben.

[Zitat] Wir sollten uns zu Nutze machen, wie sehr die Krise die Dysfunktionalität und Sinnlosigkeit des globalen Finanzsystems bloßgelegt hat. [..] nun hat die Krise zwei wichtige Schwächen des Finanzsystems aufgedeckt:

Erstens ist das System, insbesondere in den USA, komplett korrupt. Die sogenannten Mortgage Backed Securities, also hypothekengesicherte Wertpapiere, sind Finanzinstrumente, die eigens geschaffen wurden, um die US-Hypotheken in der ganzen Welt zu vermarkten. Sie waren von A bis Z ein Schwindel. [..]

Als Zweites sollten wir uns vor Augen halten, was die Banken heute, in der Schuldendeflation, eigentlich tun. [..] Sie machen Profite, indem sie auf ihrem Geld sitzen und warten, bis die Preise noch tiefer fallen. Sie beschleunigen den Zerfall der Anlagenwerte. Und wir haben diese Institutionen mit unseren Steuergeldern gerettet in der Annahme, dass sie Motoren des Wachstums sind. [..] Im Moment sind sie Motoren des Niedergangs. [..] [Zitat Ende]

Link zum sehr lesenswerten Interview bei ' woz.ch '  ..hier

Link zum Dossier «Finanzkapitalismus» mit Veröffentlichungen von WOZ seit 2008  ..hier


Galbraith ist Ökonomieprofessor an der University of Texas in Austin und leitet dort seit Jahren das Inequality Project, ein umfassendes Forschungsvorhaben zum Thema «wirtschaftliche Ungleichheit», auf dem auch sein neues Werk, «Inequality and Instability» (Oxford University Press, 2012), basiert. [Quelle: WOZ]

 
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