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09.07.2012 13:10
Bankrotterklärung der Experten bei Maybrit Illner: keiner kennt eine richtige Lösung
Zdf.de - Eine Runde mit hoch dekorierten Interessenvertretern als Pseudoexperten geben sich bei Maybrit Illners Talkshow vom 5.7.2012 ziemlich ratlos. BDI-Präsident Hans-Peter Keitel: "Es gibt aus dieser Situation, [..] ..ganz wenig Spielraum, kaum jemand weiß tatsächlich was die Konsequenzen sind. Ich habe noch nie in meinem beruflichen Leben eine Situation erlebt, wo keiner wirklich wusste, wie die richtige Lösung aussieht. Sonst streitet man zwischen zwei ähnlich richtigen Lösungen. Hier ist eine, hier gibt's keine, ich kenne keinen Königsweg."   [Quelle: zdf.de] JWD


Die männlichen Gäste der Sendung waren:

der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz (SPD),

der gelernte Einzelhandelskaufmann, jetzt Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages Wolfgang Bosbach (CDU),

der smarte, der CDU nahe stehende Präsident des Bundes der deutschen Industrie Hans-Peter Keitel aus Kusel,

sowie der gelernte Bankkaufmann Michael Kemmer, in seiner Eigenschaft als Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes deutscher Banken.

Dieser konservativen, neoliberalen Armada war die wirtschaftspolitische Sprecherin und stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Frau Sahra Wagenknecht, als einziger Gegenpol beigefügt.

Während der Diskussion hatten die männlichen Dinos eine Art Bestandsschutz. Die Moderatorin der Sendung, Maybrit Illner, bekannt für geschickte Diskussionsführung,  war sehr darauf bedacht, nach Statements der hoch dekorierten Herren, diese vor Wagenknechts Kritik zu schützen. Was erfreulicherweise nur teilweise gelang.

Die Herrschaften offenbarten nicht gerade überzeugendes Fachwissen und versuchten anfänglich ziemlich kläglich Frau Wagenknecht durch Faulspiel einzuschüchtern. Allerdings waren die meist substanzlosen, floskelhaften Anmerkungen der Herren dazu nicht geeignet.

In dem Bestreben, sich auftuende fachliche Defizite zu kaschieren, hatte Maybrit Illner geschickt mögliche Kritik seitens Frau Wagenknecht unterdrückt. Bevor es in solchen etwas prekären Momenten zu einer Antwort hätte kommen können, erteilte die Moderatorin rasch anderen Diskussionsteilnehmern das Wort, auch wenn diese nicht angesprochen waren. Eine weitere Variante bestand darin, schnell das Thema zu wechseln und als Brake z.B. einen vorbereiteten Einspieler zu bringen.

Wenn Frau Wagenknecht dann sprechen durfte, war dies mit einer neuen Fragestellung verbunden. So konnte natürlich keine tiefer gehende Diskussion zu Stande kommen. Einige der platten Behauptungen der prominenten Herrschaften sind so wohl peinlicher Korrektur entgangen.

Peinlich wurde es allemal spätestens zu dem Zeitpunkt, als der BDI-Präsident offenbarte, dass er und niemand den er kenne, wisse, wie man dieser Krise richtig begegnen könne. Es widersprach niemand, im Gegenteil, es wurde seitens der Herren Zustimmung signalisiert. Deutliches nicken war vom Bankenhauptgeschäftsführer Kemmer erkennbar.

Hätte der BDI-Präsident allerdings einen etwas größeren volkwirtschaftlichen Background, hätte er erkennen können, dass die wichtigsten Eckpfeiler für eine Lösung der europäischen Probleme, kurz vorher von Frau Wagenknecht bereits dargelegt worden waren.

Nur - wenn nicht wahr sei kann, was nicht wahr sein darf -, wird es den Herren kaum möglich sein, adäquate Problemlösungen zu sehen.

Wie verschroben die 'Denke' der sich als Globelplayer fühlenden Macher ist, wird deutlich an folgender, eher beiläufig getätigter Aussage des BDI-Präsidenten Keitel, als es darum ging, ob Austeritätspolitik ein geeignetes Mittel sein kann, um die in Schieflage geratenen Partnerstaaten wieder auf Kurs zu bringen.

Die Problematik, dass durch aufgezwungene Spardiktate die Leistungsfähigkeit unserer innereuropäischen Abnehmerländer abstürzt, das Dilemma so noch verstärkt wird und letztlich negativ auf uns zurück fällt, sieht Keitel offensichtlich nicht, wenn es sagt: "Wir vergessen in Europa, dass es außerhalb auch noch eine Welt gibt, wo die eigentliche Konkurrenz stattfindet. Wir wollen mit starken Partnern in Europa gemeinsam organisieren, dass wir auf Drittmärkten erfolgreich sind."

Dies bedeutet ja nichts anders als: Was interessiert uns der innereuropäische Markt, wir müssen die Löhne und Soziallasten auf ein niedrigeres Niveau senken, damit wir im offenen globalen Weltmarkt mit China und anderen ärmlichen, in gesellschaftlich-sozialer Hinsicht zurückgebliebenen, im Wohlstand unterentwickelten Volkswirtschaften konkurrieren können (in China sind die Löhne mehr als 10x niedriger als bei uns).

Was ist eigentlich mit 'starken Partnern' bei Keitels Aussage gemeint? Nach seiner Logik sind starke Partner wohl solche Länder, die billige Arbeitskräfte für die global agierende Wirtschaft liefern und durch Niedriglöhne auch entsprechendes Konkurrenzpotential zu unserem Arbeitsmarkt aufbauen. Das solche Leute dann noch Begriffe wie verantwortliches Handeln, oder Soziale Marktwirtschaft  gelegentlich mit ihrem Tun in Verbindung bringen ist aberwitzig und kaum zu toppen. 

Welthandel zum Selbstzweck? Jedem der seine sieben Sinne halbwegs beisammen hat, dem sollte einleuchten, dass dies kein vernünftiger Ansatz zum Nutzen der Menschen sein kann. Um so unverständlicher wird Keitels streben, wenn man in Betracht zieht, dass nach seinen eigenen Angaben der Verband BDI aus 98% Mittelständlern bestehen soll, die mehrheitlich sicherlich gerne von einem gesunden, innereuropäischen Markt leben würden. Zudem dieser Markt ja über 80% unseres Außenhandels ausmacht.

Mehr Wohlstand in Europa würde auch mehr Markt in Europa bedeuten. Den eigenen innergemeinschaftlichen Markt gilt es vorrangig in Ordnung zu bringen und zu schützen. In Ordnungen bringen bedeutet zu allererst Wohlstand für alle im eigenen Haus herzustellen. Dafür müssen falls nötig Firewalls aufgebaut werden und nicht Schutzschilde um die Risiken wild gewordener, global agierender Zockerbanden abzusichern.

Denn sie wissen nicht was sie tun, so das unwidersprochene Eingeständnis von Keitel: Wenn wie bei Wikipedia nachzulesen, Herr Keitel  2013 nicht mehr als BDI-Präsident kandidieren will, gäbe es für ihn vielleicht die Möglichkeit bei den Piraten unter zu kommen. Dort ist es bekanntlich ein Markenzeichen, wenn man nicht versteht was man tut. - Nein, kein guter Vorschlag, denn bei aller Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit dieser jungen Bewegung, sind auch hoffnungsvolle Debatten dort im Gange, die die Illusion von einer besseren Zukunft keimen lassen. Da ist es besser, wenn Keitels draußen bleiben.


Link zum Youtube-Video der Sendung mit Maybrit Illner ..hier
Video




Passend zum Thema:
Kennenlernvorschlag für Herrn Keitel  ..hier
Video

"Wie ist der EURO noch zu retten?" - Dr. Heiner Flassbeck, Chefvolkswirt von UNCTAD

Das zentrale Problem in der Währungsunion ist das Auseinanderlaufen der Preise*,
die sich in Abhängigkeit der divergierenden Lohnstückkosten ergeben haben. Die Lohnentwicklungen korrelieren mit den unterschiedlichen Inflationsraten der Länder. Deutschland hat durch ständiges unterschreiten des vereinbarten Inflationsziels Hauptschuld an der europäischen Krise!!

Die einzige Möglichkeit die Währungsunion noch zu retten besteht darin, der jahrelangen Fehlentwicklung gegenzusteuern, indem in den Überschussländern (besonders Deutschland) die Löhne oberhalb des vereinbarten Inflationsziels steigen, während in den Defizitländern (Südeuropa) Lohnzurückhaltung unterhalb der Inflationsmarke realisiert werden muss. Auf diesen Sachverhalt geht Heiner Flassbeck bei seinem Vortrag ein und stellt eine entsprechende Modellrechnung über einen längeren Zeitraum vor.

Leider wird dieser einfache Zusammenhang nicht diskutiert. Im Gegenteil, es wird von wirtschaftlich mächtigen Gruppen wegen ihrer Sonderinteressen massiv verhindert, dass eine solche Debatte stattfindet!! Willfährige Politiker sind dabei Mittel zum Zweck.

siehe auch Artikel vom 6.7.2012 - Wir müssen den Kürzungsirrsinn beenden -  ..hier

siehe auch Artikel vom 3.7.2012 - Lohnstückkosten und Preise entwickeln sich gleich -  ..hier



Prof. Dr. Heiner Flassbeck (*12. Dezember 1950 in Birkenfeld, Nahe) ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er war von 1998 bis 1999 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. Seit Januar 2003 ist er Chef-Volkswirt (Chief of Macroeconomics and Development) bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf. [Quelle: Wikipedia ..hier]

 
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