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12.10.2015 11:40
Westliche Propaganda ist so
professionell,
dass die Tatsachen
für das, was wir denken
sollen, kaum mehr eine Rolle spielen.
Die totale Manipulation ist möglich. Darauf wurde auf den
NachDenkSeiten schon oft hingewiesen. Beim Rückblick auf wichtige Ereignisse und
Debatten der letzten Zeit findet man diese bedrückende Erkenntnis erneut
bestätigt – in der Debatte um Syrien und die Flüchtlinge, um Russland, Putin und
den neuen West-Ost-Konflikt.
[Quelle:
nds.de] JWD
Von Albrecht Müller | NachDenkSeiten | 09.10.2015
Ganz aktuell: in einem 58 Minuten langen Gespräch mit Anne Will hat es die
Bundeskanzlerin geschafft, bei der Behandlung der Ursachen der Flucht so vieler
Menschen mit keinem Wort auf die Kriege zwischen Libyen, Syrien, Irak und
Afghanistan einzugehen und schon gar nicht auf die Rolle des Westens und seiner
Verbündeten am Golf als Verursacher dieser mörderischen Kriege.
Im Folgenden werde ich an den genannten Beispielen einige Beobachtungen
skizzieren und Links zur Vertiefung nennen, und dabei jeweils die Methoden der
Meinungsmache benennen und die Überlegenheit der westlichen Propaganda erklären.
Das sind alles nur Denk- und Analyseanstöße.
I. |
Zum Verhältnis zu Russland – keine abgewogene Analyse, stattdessen
Feindmodus und Personalisierung.
Außerdem: Einseitige und unvollständige Darstellung des Geschehens in
Syrien und damit der Ursachen für einen großen Teil des
Flüchtlingsproblems
Den Bericht über ein Treffen von vier Spitzenpolitikern in Paris in den
Tagesthemen am 2.10.2015 begann Thomas Roth mit folgendem Satz:„Es sind zur Zeit gleich zwei gefährliche internationale Krisen, die
sich mit einem Mann verbinden: mit dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin.“ Dann folgte der Hinweis auf die Ukraine und Syrien. Das ist eine sehr
professionelle Zuweisung der Verantwortung. Jetzt wird Putin auch für
die Krise in Syrien verantwortlich gemacht. Thomas Roth und die ARD
befinden sich in zahlreicher Gesellschaft in der deutschen Medienwelt.
Ich nenne nur drei Beispiele:
Der Tagesspiegel kam drei Tage später, am
5. Oktober mit einem Interview mit dem Historiker Karl Schlögel und der
Überschrift
„Man muss bei Putin mit allem rechnen“.
FAZ Net kam mit der
Überschrift
„Gewaltherrscher in bester Laune“.
Und sogar der
sozialdemokratische Vorwärts schlägt in die gleiche Kerbe, mit einem
Artikel von Jörg Armbruster
„Krieg in Syrien: worum es Putin wirklich
geht“.
Es gibt im Westen fast keine abgewogene und differenzierte Betrachtung
Russlands und seiner politischen Führung mehr. In den meisten Medien
wird Russland als der Störenfried schlechthin betrachtet. Die Methode
der Personalisierung auf Putin als den Bösewicht ist typisch dafür.
Feindbilder lassen sich an Personen besser festmachen als an Völkern. So
ist das offensichtlich.
Wenn Sie am Wochenende ein bisschen Zeit und Muse haben, sich mit
Originaltexten von Reden zu befassen, dann wäre zu empfehlen, sich die
beiden Reden von Präsident Obama und Präsident Putin vor der UNO
Vollversammlung anzuhören bzw. sie zu lesen.
Hier ist zunächst der Link auf die
Rede Präsident Obamas vor der UNO am
28.9.2015, mit simultaner Übersetzung.
Und hier ist der Text der Rede von Präsident Putin auf der
UNO-Generalversammlung ebenfalls vom 28. September 2015.
Quelle:
Übersetzungsbüro W. A. M. [PDF – 48,6 KB]
[Einfügung:
Putins Rede mit Simultanübersetzung
..hier |
CBS-Interview ..hier]
Putin widmet sich ausführlich und wohlwollend der Frage nach dem
Funktionieren der Vereinten Nationen, dann der Destabilisierungspolitik
des Westens. Er weist auf das Elend hin, das in den meisten Fällen
darauf folgt und fragt jene, die diese Situation einschließlich der
großen Zahl von Flüchtlingen geschaffen haben: „Versteht ihr wenigstens
jetzt, was ihr angerichtet habt?“
Er weist darauf hin, dass der „Islamische Staat“ nicht aus dem Nichts
entstanden ist, „anfangs hat man ihn auch als Instrument gegen unbequeme
weltliche Regime hochgezogen.“ Mit „man“ meint Putin wohl die
Golfstaaten einschließlich Saudi-Arabiens.
Zu den Flüchtlingen und der Situation im Nahen Osten: Russland rechne
damit, dass die internationale Gemeinschaft eine allumfassende Strategie
der politischen Stabilisierung und des sozialökonomischen Wiederaufbaus
des Nahen Ostens ausarbeiten können wird .
“Dann, verehrte Freunde, muss
man auch keine Lager für Flüchtlinge bauen.“ …“Die Flüchtlinge brauchen
unbedingt Mitgefühl und Unterstützung. Grundsätzlich dieses Problem
lösen jedoch kann man nur über den Weg des Wiederaufbaus der
Staatlichkeit dort, wo sie zerstört worden ist, …“ … „Vor allem halte
ich es für äußerst wichtig, die staatliche Struktur in Libyen wieder
aufzubauen, die neue Regierung des Irak zu unterstützen und der
rechtmäßigen Regierung Syriens allseitige Hilfe zu erweisen.“
Putin zur Lage in Europa und zum neu belebten West-Ost-Konflikt: Putin
erinnert an die Hoffnung auf einen Raum gemeinsamer Sicherheit und
fragt, warum nach dem Zerfall des Warschauer Paktes man nicht auch die
NATO zur Disposition gestellt hat und sie und ihre militärische
Infrastruktur stattdessen weiter ausdehnt.
Er verweist darauf, dass die postsowjetischen Länder vor die irrige Wahl
gestellt wurden, zum Westen oder zum Osten zu gehören.
Die Rede Putins war rundum vernünftig und auch getragen von der Sorge um
internationale Zusammenarbeit.
In welchen deutschen Medien haben Sie von den vorgetragenen Gedanken des
russischen Präsidenten gelesen? Die Medien hätten ja kritisch
kommentieren können. Aber einfach unterschlagen, das geht nur, wenn man
so auf Feindmodus eingestellt ist, wie das im Eingangssatz zu den
Tagesthemen vom 2. Oktober deutlich wurde. Das ist unsere perverse
Situation. Wir haben die großen Chancen des Abbaus der Konfrontation
einfach verspielt.
Auch über die Rede Präsident Obamas wurde aus meiner Sicht ungenügend
berichtet. Positiv hätte man ja vermerken können, dass Obama an einer
friedlichen Lösung von Konflikten interessiert ist, man hätte
verständnisvoll berichten können, dass hier ein Mensch redet, dem man
anmerkt, dass er es im Kern gut meint, so würde ich jedenfalls
behaupten. Aber Obama erschien zugleich als Getriebener von Kräften
seines Landes, über die er nicht bestimmt. Er redete leider so, als gäbe
es seine eigene Verantwortung nicht.
Die Verantwortung seines Landes und der früheren und seiner Regierung
wie auch der Freunde der USA am Golf für das Elend zwischen Libyen und
Afghanistan und für den Terrorismus erkennt er offenbar nicht. Oder wagt
es nicht zu sagen.
Zu Syrien fällt ihm das ein, was offenbar der Kern der Sprachregelung
westlicher Politiker und Publizisten ist: Assad ist ein Diktator, ein
Schlächter seines eigenen Volkes, ein Gewaltherrscher.
Mit der Wiederholung dieser Formeln haben es unserer Meinungsmacher
geschafft, dass uns eine differenzierte Betrachtung der Vorgänge und
Personen in Syrien und vor allem die Betrachtung unserer eigenen
Verantwortung für das Elend und damit auch für die Flüchtlinge gar nicht
mehr einfällt.
Präsident Obama hat bei seiner Klage über den Tyrannen in Syrien
unterschlagen, mit welchen anderen Tyrannen in der Region die USA
engsten zusammenarbeiten. Gibt es eine schlimmere und
menschenverachtendere Diktatur als jene in Saudi-Arabien?
Die westliche Propaganda ist so erfolgreich, weil sie selektiv
informiert, unangenehme Seiten des Geschehens unterschlägt, die eigene
Sprachregelung professionell organisiert und diese von verschiedenen
Absendern verbreiten lässt.
Dazu, zur für eine erfolgreiche Propaganda wichtigen Sprachregelung eine
kleine Geschichte: Der südpfälzische Bundestagsabgeordnete der SPD
sprach sich im September
für ein militärisches Engagement Deutschlands
in Syrien aus. Da er mein Nach-Nachfolger ist, habe ich telefonisch
Zweifel an der Vernunft dieses Engagements geäußert. In diesem Gespräch
wies er auf den Diktator Assad hin und auf dessen schlimme Taten: „Er
wirft Fassbomben auf die Kinder seines eigenen Volkes“.
Dann habe ich in Obamas UNO-Rede die gleiche Formulierung gefunden und
dann auch in dem erwähnten Artikel im vorwärts.
Offenbar haben Präsident Obama, der südpfälzische SPD-Abgeordnete und
die einschlägig tätigen Publizisten den gleichen Sprechzettel.
Das gilt auch für andere Ereignisse und Themen: wer vor allem von
russischen Flugzeugen bombardiert worden sei, die gemäßigten Rebellen
gegen Assad, und nicht vor allem die Terroristen des Islamischen
Staates, konnten Sie überall lesen. Und dass die russischen Flugzeuge
die türkische Souveränität missachtet haben, stand auch überall und
wurde beklagt (was ich teile), aber wann haben Sie das letzte Mal eine
Klage über die Verletzung der Souveränität des Irak und Syriens durch
die Türkei vernommen?
Einseitigkeit und Verschweigen sind wichtige Elemente der Propaganda.
Für den Erfolg der westlichen Propaganda ist außerdem von großer
Bedeutung, dass so viele scheinbar verschiedene Politiker,
Wissenschaftler und Publizisten sich in ähnlicher Weise äußern.
Die Wiederholung kombiniert mit der scheinbaren Verschiedenheit der
Absender bringt den Propagandaerfolg. |
II. |
„Die Kanzlerin in der Flüchtlingskrise“
So lautete der Titel der Sendung für das Gespräch zwischen Anne Will und
der Bundeskanzlerin am 7. Oktober. (Video siehe hier in der Mediathek
der ARD)
Es gibt kritische Stimmen im Forum zur Sendung, es gibt zugleich auch
sehr freundliche Kommentare. Die Bundeskanzlerin hat menschlich,
sachverständig, freundlich gewirkt, auch konzentriert. Die Moderatorin
hat aber nichts getan, um typische Methoden der Manipulation
aufzudecken. Dafür ein paar Beispiele:
- Frau Merkel hat sogar die Notwendigkeit der Bekämpfung der Ursachen der
Flüchtlingsbewegung als einen der Hebel zur Lösung des Problems genannt.
Immerhin. Aber was sind die Ursachen aus der Sicht unserer
Bundeskanzlerin? Die Menschen würden jetzt aus der Türkei auch deshalb
fliehen, weil dort die Essensrationen halbiert worden sind usw. Die
Bundeskanzlerin hat mit keinem Satz darauf hingewiesen, dass die vom
Westen angezettelten Kriege von Libyen über Syrien und Irak bis
Afghanistan einer der wesentlichen Ursache dafür sind, dass Menschen
fliehen. Anne Will hat keine Sekunde darauf verwendet, bei der
Bundeskanzlerin nachzufragen.
- Sie hat nicht nachgefragt, in welcher Weise Deutschland gerade in den
Konflikt in Syrien verwickelt ist: wir machen die Blockade und die
Sanktionen mit, die dem Aushungern von Syrien dienen. Wir haben eine
vorteilhafte Spezialbehandlung der syrischen Flüchtlinge angekündigt,
auch deshalb, weil damit das Ausbluten des syrischen Staates verstärkt
und beschleunigt wird. Frau Merkel hat sich dieser Sonderbehandlung noch
gerühmt und Anne Will hat nicht kritisch nachgehakt.
- Sie hat nicht gefragt, ob wir mit Waffenlieferungen an die Golfstaaten
und die Türkei und möglicherweise auch Israel an der Verstärkung des
Elends mitschuldig geworden sind.
- Frau Merkel hat die Parole ausgegeben, man könne das Problem durch mehr
Ordnung lösen. Das Wort Ordnung, Ordnung rein bringen, geordnet,
geordnete Verhältnisse kam unentwegt vor, ergänzt durch das Wort Plan.
Als wäre damit irgendetwas an diesem Problem gelöst. Natürlich muss
etwas mehr Planung und Ordnung sein. Aber die Fixierung hat eindeutig
manipulativen Charakter.
- Frau Merkel hat nach der alten Methode, die Vorwürfe, mit denen man
rechnen muss, selbst zu nennen, versucht, ihrer Verantwortung für die
große Flüchtlingsbewegung niedrig zu hängen. Sie hat explizit
bestritten, dass ihre besonderen Willkommensgesten im Nahen Osten eine
quantitativ messbare Auswirkung hatten. Das wissen wir aus mehreren
Berichten über Syrien und Irak, wo auf die einladende Gestik der
Bundeskanzlerin hingewiesen und verbreitet wird, welche Vorteile
Flüchtlinge hier bei uns erwarten.
Die Bundeskanzlerin hat aus meiner Sicht zu erkennen gegeben, dass sie
die überaus großen Probleme, die auf unser Land zukommen, noch nicht
erkannt hat. Wir werden vom „gelobten Land“ in eine halbe Katastrophe
schlittern. Das müsste die Bundeskanzlerin eigentlich wissen. Aber sie
sonnt sich immer noch im Lichte dessen, ein gelobtes Land zu vertreten,
und sie verwies sogar auf den Bundesfinanzminister Schäuble, der sich
darüber besonders gefreut habe. Das kann man sich gut vorstellen, hatte
er vorher im Umgang mit Griechenland doch maßgeblich dazu beigetragen,
dass weltweit unser Ruf ruiniert wurde. Jetzt wird er wieder
aufgebessert. |
Link zum Originaltext bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier
Anmerkung: Wie ich finde und wie von Albrecht Müller gewohnt, eine sehr zutreffende Analyse . - Warum
die Verhältnisse so sind, wie sie sind, lässt sich sehr gut
auch strukturell erklären, wenn man "Medienmonopol"
gelesen hat. Von wegen Pressefreiheit und ähnlichem Schmus. JWD
Passend zum Thema:
07.10.2015 00:00
Putins & Obamas Friedenspolitik im Vergleich
Rückblick auf eine Sendung von 'kla.tv' zur UNO-Vollversammlung vom 15.9. -
3.10.2015 -
Seit dem 15. September findet in New York die 70.
UNO-Vollversammlung statt. Anlass sind die verschiedenen globalen Krisen und
Herausforderungen. Sowohl der US-amerikanische Präsident Obama wie auch der
russische Präsident Putin legten in ihren Reden ihre Einschätzungen und
Lösungsansätze dar. Äußerst aufschlussreich ist hierbei der direkte Vergleich
beider Reden, insbesondere, die unterschiedlichen Vorgehensweisen unter die Lupe
zu nehmen. [Quelle:
kla.tv] JWD ..weiterlesen
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