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07.07.2015 11:00
Hintergrund der griechischen Schulden
Die aktuelle Debatte über die griechischen Schulden gab
Anlass zu aller Arten von Bedrohungen, zuerst gegen die Tsipras-Regierung, dann
gegen die griechischen Wähler. Ohne auf den ‚abscheulichen Teil‘ der Schulden
einzugehen analysiert Thierry Meyssan die internationale Kampagne gegen den
Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone. Er verweist auf den historischen
Entwurf der europäischen Union und des Euro, so wie er im Jahr 1946 von
Churchill und Truman formuliert wurde, und schließt, dass Griechenland heute in
die Falle des internationalen geopolitischen Umfeldes getappt ist, und nicht
wegen seiner wirtschaftlichen Situation.
[Quelle: voltairenet.org] JWD
Voltaire Netzwerk | Damaskus (Syrien) | 6. Juli
2015 | von Thierry Meyssan
Quelle:
voltairenet.org (verlinkt)
Joseph Retinger, einst polnischer Faschist, der
britischer Agent wurde. Auf Antrag des MI6 gründete er die Europäische Liga für
wirtschaftliche Zusammenarbeit, deren Generalsekretär er wurde. Als solcher ist
er der Vater des Euro. Anschließend förderte er die Europäische Bewegung und
schuf den Bilderberg-Club.
Die griechische Volksabstimmung führte zu lebhaften Debatten in der
Europäischen Union welche die allgemeine Unkenntnis über die Spielregeln an den
Tag legen. Die Teilnehmer stritten sich darüber, ob die Griechen für ihre
Schulden verantwortlich wären, während sie sorgfältig die Wucherzins
praktizierenden Gläubiger beschützten. Aber sie taten es, ohne die Geschichte
des Euro und die Gründe seiner Schöpfung zu kennen.
Der Euro: ein angelsächsisches Projekt des
Kalten Krieges
Seit dem Vertrag von Rom, vor vierundsechzig Jahren, haben die aufeinander
folgenden Verwaltungen des "europäischen Projekts" (EGKS, EWG, EU) kolossale,
unvergleichbare Summen ausgegeben, um seine Propaganda in den Medien zu
finanzieren. Täglich werden Hunderte Artikel, Radio- und Fernsehsendungen von
Brüssel bezahlt, um uns eine lügenhafte Version seiner Geschichte zu erzählen
und uns weiszumachen, dass das aktuelle „europäische Projekt“ jenes der Europäer
der Zwischenkriegszeit sei.
Die Archive sind jedoch jetzt allen zugänglich. Sie zeigen, dass Winston
Churchill und Harry Truman im Jahre 1946 beschlossen, den europäischen Kontinent
in zwei zu teilen: auf der einen Seite, ihre Vasallen, auf der anderen, die
UdSSR und die Ihrigen. Um sicherzustellen, dass kein Staat sich ihrer Oberhoheit
entzog, beschlossen sie, die Ideale ihrer Zeit zu manipulieren.
Was man damals das "europäische Projekt" nannte, war nicht jenes, das die so
genannten gemeinsamen Werte verteidigte, sondern um die Ausbeutung der Rohstoffe
und der Verteidigungsindustrie von Frankreich und Deutschland zusammenzuführen,
um sicher zu sein, dass sich diese beiden Länder keinen Krieg mehr liefern
konnten (Theorie von Louis Loucheur und dem Grafen Richard Coudenhove - Kalergi
[1]). Es ging nicht darum, die tiefen ideologischen Unterschiede zu leugnen,
sondern um sicherzustellen, dass sie sich nicht mehr mit Gewalt bekämpften.
Der britische MI6 und die amerikanische CIA wurden daher beauftragt, den ersten
"Europäischen Kongress" in Den Haag im Mai 1948 zu organisieren, an dem 750
Persönlichkeiten (auch François Mitterrand) aus 16 Ländern teilnahmen. Es war
einfach nichts anderes, als die Wiederbelebung des Projekts eines föderalen
Europas (das für den Reichskanzler Adolf Hitler von Walter Hallstein - dem
künftigen Präsidenten der Europäischen Kommission - konzipiert wurde), welches
auf der Rhetorik von Coudenhove-Kalergi beruhte.
Mehrere Missverständnisse müssen bei diesem Kongress korrigiert werden. ) Zu
aller erst sollte man ihn in seinem Kontext darstellen. Die Vereinigten Staaten
und das Vereinigte Königreich hatten gerade der Sowjetunion den Kalten Krieg
erklärt. Diese antwortete mit der Unterstützung der tschechischen Kommunisten,
denen es rechtsmässig gelungen war, die Macht mit dem "Prager Coup"
("Siegreicher Februar", in der sowjetischen Geschichtsschreibung) an sich zu
reißen. Darauf organisierten Washington und London den Brüssel-Vertrag, der die
Schaffung der NATO vorwegnahm. Alle Teilnehmer des Europäischen Kongresses waren
pro-angelsächsisch und antisowjetisch.
Zweitens, als Winston Churchill seine Rede hielt, verwendete er den Begriff
"Europäisch", um die Bewohner des europäischen Kontinents zu bezeichnen (nicht
die des Vereinigten Königreichs, die ihm zufolge keine Europäer sind), und die
sich als Antikommunisten betrachteten. Es kam zurzeit von Churchill nicht in
Frage, dass London an der Europäischen Union teilnehme, sondern sollte sie
einfach nur überwachen.
Drittens kamen zwei Tendenzen im Kongress an den Tag: die "Unionisten", die nur
für die Zusammenlegung der Mittel waren, um der Expansion des Kommunismus zu
widerstehen, und die "Föderalisten", die das Nazi-Projekt des Bundes realisieren
wollten, unter Aufsicht einer nicht gewählten Verwaltung.
Quelle:
voltairenet.org (verlinkt)
Walter Hallstein, hoher deutscher Beamter, schrieb das
Hitler-Projekt des föderalen Europas. Es ging darum, die europäischen Staaten zu
zerstören und die Bevölkerung nach ethnischen Gruppen rund um das arische Reich
zu gruppieren. Das Ganze würde einer Diktatur einer nicht gewählten Bürokratie
unterworfen und von Berlin gesteuert werden. Nach dem Kriegsende zog er sein
Projekt mit Hilfe der Angelsachsen durch und wurde 1958 der erste Präsident der
Europäischen Kommission.
Der Kongress bezeichnete alles, was seither erreicht worden ist, unter den
aufeinander folgenden Namen der EGKS, EWG und EU.
Der Kongress verabschiedete das Prinzip einer gemeinsamen Währung. Aber der MI6
und die CIA hatten bereits die Independent League for European Cooperation (ILEC)
gegründet [2], welche die Europäische Liga für wirtschaftliche Zusammenarbeit (ELEC)
geworden ist. Ihr Ziel war, sobald die Organe der Union für eine einheitliche
Währung (Euro) geschaffen waren, von einer gemeinsamen Währung (der zukünftigen
europäischen Währungseinheit - ECU) zur Einheitswährung (Euro) zu schreiten,
damit die beigetretenen Länder die Union nicht mehr verlassen können [3].
Das ist das Projekt, das François Mitterrand 1992 ausgeführt hat. Im Hinblick
auf die Geschichte und die Beteiligung von François Mitterrand an dem Kongress
von Den Haag im Jahre 1948 ist es absurd, heute zu behaupten, dass der Euro ein
anderes Ziel habe. Das ist der Grund, in aller Logik, warum die bestehenden
Verträge keinen Austritt aus dem Euro vorgesehen haben, und Griechenland zwingt,
wenn es von dem Euro weg will, zuerst aus der Union austreten muss.
Die Abtrift vom „europäischen Projekt“
zum amerikanischen System
Die Union hat zwei große Wendepunkte erlebt:
Am Ende der 1960er Jahre weigerte sich Großbritannien an dem Vietnam-Krieg
teilzunehmen und zog seine Truppen aus den Persischen Golf und von Asien ab. Die
Briten betrachteten sich nicht mehr als der 51. Bundesstaat der Vereinigten
Staaten und sprachen nicht mehr von ihrer « special relationship » mit
Washington. Sie beschlossen daher der Union beizutreten (1973).
Bei der Auflösung der UdSSR blieben die Vereinigten Staaten die alleinigen
Meister des Spiels, Großbritannien unterstützte sie und die anderen Staaten
gehorchten ihnen. Infolgedessen hat die Union nie über ihre Erweiterung nach
Osten beraten, sondern nur eine Entscheidung von Washington akzeptiert, die
durch seinen Außenminister James Baker angekündigt wurde. Gleichweis hat sie
sowohl die Militärstrategie der USA [4] als auch ihre Wirtschafts- und
Sozialmodelle akzeptiert, die durch starke Ungleichheiten gekennzeichnet sind.
Das griechische Referendum hat eine Trennlinie aufgedeckt zwischen einerseits
den europäischen Eliten, die das Leben immer leichter finden und die das
"europäische Projekt" vorbehaltlos unterstützen und der Arbeiterklasse, die
unter diesem System leidet und es ablehnt; ein Phänomen, das sich bereits auf
nationaler Ebene anlässlich der Ratifizierung des Maastricht-Vertrags in
Dänemark und Frankreich 1992 geäußert hatte.
In einem ersten Schritt haben die europäischen Staats-und Regierungschefs die
demokratische Gültigkeit des Referendums in Frage gestellt. Der Generalsekretär
des Europarats, Thorbjørn Jagland, (der Mann, der von der Nobel-Jury wegen
Korruption hinausgeschmissen wurde [5]) hat gesagt
dass die Dauer der Kampagne zu kurz wäre (10 Tage anstatt 14).
dass sie nicht von internationalen Organisationen überwacht werden könnte (nicht
genügend Zeit, um sie zu organisieren).
und dass die Frage nicht klar oder verständlich sei (während der im Amtsblatt
der Europäischen Union veröffentlichte Vorschlag viel kürzer und einfacher wäre
als die zum Referendum vorgelegten europäischen Verträge). Jedoch die
Kontroverse wurde eingestellt, nachdem der durch Einzelpersonen zu diesen drei
Punkten aufgeforderte griechische Staatsrat die Rechtmäßigkeit dieser Befragung
überprüft hatte.
Die Mainstream Presse sagte dann, dass mit dem "Nein" die griechische Wirtschaft
ins Unbekannte stürzen würde.
Wenn man auch der Eurozone angehört ist diese Tatsache aber keine Garantie für
wirtschaftlichen Erfolg. Wenn man auf die Liste des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
in Kaufkraftparität (PPP) des IWF zurückgreift, ist nur ein einziges EU-Land
unter den 10 Besten der Welt: das Steuerparadies Luxemburg. Frankreich ist an
25. Stelle von 193 Ländern.
Das Wachstum der Europäischen Union lag bei 1,2 % im Jahr 2014, was sie auf den
173. Platz der Welt stellt, d.h. eine der schlechtesten Ergebnisse der Welt (der
Weltdurchschnitt ist 2,2 %).
Quelle:
voltairenet.org (verlinkt)
Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank,
ist der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Goldman-Sachs Bank. Er hat dem
Europäischen Parlament ihre Rolle bei den Veruntreuungen der Bank im Auftrag der
griechischen Regierung verheimlicht, die jedoch durch Dokumente der Bank
bescheinigt sind.
Es ist klar, dass die Angehörigkeit zur Union und
zum Euro keine Garantie für Erfolg ist. Aber wenn die Europäischen Eliten dieses
Projekt unterstützen, heißt das, dass es für sie rentabel ist. In der Tat haben
die „Unionisten“ durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes und einer
einheitlichen Währung das Spiel abgekartet. Von nun an sind die Unterschiede
nicht mehr zwischen den Mitgliedstaaten, sondern zwischen den sozialen Klassen,
die auf europäischer Ebene standardisiert sind. Das ist der Grund, warum die
Wohlhabenden die Union verteidigen, während die Ärmsten sich nach der Rückkehr
der Mitgliedstaaten sehnen.
Fehlinterpretation der Union und des Euro
Seit einigen Jahren wird die Debatte durch den offiziellen Wortschatz verzerrt:
die Europäer wären nicht Inhaber der europäischen Kultur, sondern nur Mitglieder
der Union. Seit dem Kalten Krieg heißt es, dass die Russen auch keine Europäer
wären, und jetzt, wenn Griechenland die Union verließe, würde es die Europäische
Kultur verlassen, deren Wiege es ist.
Aber der Apfel fällt nicht weit vom Stamm Die Union wurde von den Angelsachsen,
mit den ehemaligen Nazis geschaffen, gegen die UdSSR. Sie unterstützt heute die
ukrainische Regierung, mit ihren Nazis, und hat Russland den Wirtschaftskrieg
unter dem Namen "Sanktionen" erklärt.
Wie der Name aber nicht andeutet, wurde die Union nicht geschaffen, um den
europäischen Kontinent zu vereinen, sondern ihn zu teilen, indem Russland
ausgeschlossen wurde. Das ist, was Charles De Gaulle anprangerte, als er für ein
Europa "von Brest bis Wladiwostok“ plädierte.
Die „Unionisten“ versichern, dass das "europäische Projekt" den Frieden in
Europa seit 65 Jahren garantiert habe. Aber sprechen sie von der Zugehörigkeit
zur Union oder von ihrem Vasallentum gegenüber den Vereinigten Staaten? In
Wirklichkeit ist es das letzte, das den Frieden zwischen den westlichen
europäischen Staaten garantiert hat aber ihre Rivalität außerhalb des
NATO-Gebiets fortführt. Sollen wir zum Beispiel daran erinnern, dass die
Mitglieder der Europäischen Union verschiedene Lager im ehemaligen Jugoslawien
unterstützten, bevor sie sich hinter der NATO einigten? Und sollen wir glauben,
dass wenn sie wieder souverän würden, die Mitglieder der Union sich unbedingt
wieder streiten würden?
Quelle:
voltairenet.org (verlinkt)
Jean-Claude Juncker beklagte sich über das griechische
Referendum, das er als "Verrat" beschrieb. Herr Juncker wurde gezwungen, von
seinem Amt als Regierungspräsident zurücktreten, nachdem man seine
Mitgliedschaft am Spionage Netzwerk Gladio des Atlantischen Bündnisses etabliert
hatte. Ein Jahr später wurde er Präsident der Europäischen Kommission.
Um zum griechischen Fall zurückzukehren, die Experten haben sehr gut gezeigt,
dass diese Schulden auf ungelösten nationalen Problemen seit Ende des
Osmanischen Reiches beruhen, sowie auf einem Betrug der großen Privatbanken und
der politischen Führer. Darüber hinaus sind diese Schulden unbezahlbar, wie es
auch die Schulden der großen entwickelten Staaten sind [6]. Wie auch immer,
Athen könnte der Situation leicht Abhilfe schaffen, indem es sich weigert, den
‚abscheulichen Teil‘ seiner Schulden zu bezahlen, indem es die Union verlässt,
und mit Russland Bündnis macht, das für Athen ein viel ernsterer historischer
und kultureller Partner ist als die Brüsseler Bürokratie. Der Wille von Moskau
und Peking, in Griechenland zu investieren und neue internationale Institutionen
zu schaffen, ist ein offenes Geheimnis. Allerdings ist die Situation von
Griechenland noch viel komplizierter, da es auch Mitglied der NATO ist und da
die Allianz 1967 einen Militärputsch organisiert hatte, um es daran zu hindern
sich der Sowjetunion zu nähern [7].
Autor: Thierry Meyssan | Übersetzung:
Horst Frohlich [1] « Histoire secrète de l’Union
européenne », par Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 28 juin 2004. (auch auf
Spanisch).
[2] Die französische Sektion nahm den Namen Europäische Liga für wirtschaftliche
Zusammenarbeit (ELEC). Den Vorsitz führt Edmond Giscard d’Estaing, Vater des
künftigen Präsidenten der Republik und Schöpfer des ECU.
[3] MI6: Inside the Covert World of Her Majesty’s Secret Intelligence Service,
Stephen Dorril, The Free Press, 2000.
[4] « Stratégie européenne de sécurité », Réseau Voltaire, 12 décembre 2003.
[5] „Torbjörn Jagland als Vorsitzender der Friedensnobelkommission seines Amtes
entlassen“, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 16. März 2015.
[6] « Selon la BRI, la dette des États développés est insolvable », Réseau
Voltaire, 13 avril 2010.
[7] « La guerre secrète en Grèce », par Daniele Ganser ; « Grèce, le facteur
Otan », par Manlio Dinucci, Traduction Marie-Ange Patrizio, Il Manifesto (Italie),
Réseau Voltaire, 24 août 2013 et 7 avril 2015.
Thierry Meyssan
Thierry Meyssan Französischer Intellektueller, Präsident und Gründer des Réseau
Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über
ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen
Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk : L’Effroyable imposture :
Tome 2, Manipulations et désinformations (hg. JP Bertand, 2007).
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative
Commons (Lizenz CC BY-NC-ND).
Link zum Originaltext bei ' voltairenet.org '
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