07.02.2015 12:30 „Wenn man weiß, wer der Böse ist, hat der Tag Struktur.“
Dieser Satz stammt von einem der bekanntesten politischen
Kabarettisten des Landes, Volker Pispers und führt immer zu garantierten Lachern
im Publikum. Dabei handelt es sich bei diesem Satz keineswegs um einen Gag,
sondern um eine schlichte Bestandsaufnahme der menschlichen Psyche. - Menschen,
fast alle und fast überall, haben ein Feindbild. Bei einigen wird dieses täglich
sichtbar zu schau getragen und prägt das tägliche Verhalten, andere hingegen
gehen davon aus, ihre hohe Bildung wäre ein Garant, um nicht selber Opfer des
eigenen Feindbildes zu werden. Dies ist ein Irrtum... [Quelle:
kenfm.de] JWD
KenFM im Gespräch mit: Prof. Dr. Rainer Rothfuß (Uni
Tübingen)
...Feindbilder sind oft derart tief in uns verankert und
werden, kaum sind wir auf der Welt, von unserem Umfeld derart subtil vermittelt,
dass sie auch für Menschen, die auf diesem Gebiet sehr sensibel sind, fast
unsichtbar sind.
Feindbilder haben eine Funktion. Vor allem, wenn man Macht ausüben will.
Feindbilder sorgen dafür, Massen zu lenken. Daher ist das Kreieren von
Feindbildern die Voraussetzung, wenn man plant, einen Krieg zu beginnen. Vor
allem, wenn man es bei der eigenen Bevölkerung mit Menschen zu tun hat, die
Krieg vollständig ablehnen. Und doch ist niemand sicher davor, in
Mitleidenschaft gezogen zu werden, wenn in seinem Umfeld ein frisch gezimmertes
Feindbild greift.
Schon Joseph Goebbels empfahl, über den Hebel „Feindbild“ auch die Pazifisten in
einem Volk mental fit für den Krieg zu machen. Alles, was man tun müsse, sei
einen äußeren Feind zu erfinden, und jeden, der diesen Feind nicht bestätigen
würde, als Vaterlandsverräter zu brandmarken. Diesem sozialen Druck würde jeder
Pazifist früher oder später nachgeben. Ein massiv vermitteltes Feindbild hat
also enorme Kraft und ist in der Lage, selbst Weltkriege der Bevölkerung
schmackhaft zu machen.
Aus diesem Grund sind Feindbilder und deren Genese immer auch
Forschungsgegenstand an Universitäten. Feindbilder kann man aus den
unterschiedlichsten Blickwinkeln untersuchen. Aus der Sicht der Psychologie
natürlich, aber eben auch im Hinblick, wie Feindbilder in der Geschichte der
Menschheit immer wieder variieren. Wie sie in unterschiedlichen Kulturen
unterschiedlich eingesetzt werden.
Prof. Dr. Rainer Rothfuß arbeitet seit vielen Jahren an der Universität Tübingen
im Forschungsbereich Geowissenschaften. In dieser Funktion organisiert er immer
wieder Vortragsreihen, die sich mit Feindbildern beschäftigten.
Rothfuß untersuchte z.B. schlicht die Tatsache, dass die Intoleranz weltweit
massiv zunimmt. Der „Clash of Civilizations“ in etwa kann Teil eines
geopolitisch bewusst gewählten Konfrontationskurses sein, bei dem es im Kern um
Bodenschätze geht. Aber auch religiös motivierte Kriege nehmen zu. Wo immer
unterschiedliche Kulturräume aufeinander prallen, kommt es zu Spannungen.
Nur wie will der Mensch mit diesen Konflikten in Zukunft umgehen?
Ist die klassische Form, Krieg, noch eine Option auf einem Planeten, auf dem
immer mehr Staaten über Kernwaffen verfügen?
Der Forschungsgegenstand der „Feindbildgenese“ ist hochaktuell und immens
wichtig, um das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten zu sichern.
Gerade daher erstaunte die Tatsache, dass Prof. Dr. Rainer Rothfuß im Rahmen
dieser Forschung immer wieder Probleme aus dem eigenen Haus bekam.
Als er Ende 2014 im Rahmen seiner Forschung Wladimir Michailowitsch Grinin,
Botschafter der Russischen Föderation, einlud, um dessen Sicht auf die
Krim-Krise zu hören - sein Vortrag trug die Überschrift „Wege in eine
partnerschaftliche Beziehung zwischen Ost und West: Die Perspektive Russlands“ -
begann es im Lehrkörper der Uni Tübingen heftig zu brodeln.
Dieses Brodeln entwickelte sich zu einem heftigen Überkochen, als Rothfuß darauf
bestand, auch den Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser einzuladen. Sein
Vortrag, den KenFM Anfang Februar veröffentlichte, trug den Titel „Die
Terroranschläge vom 11. September 2001 und der „Clash of Civilizations“: Warum
die Friedensforschung medial vermittelte Feindbilder hinterfragen muss“.
Dennoch wird sich der Mann endgültig von der UNI-Tübingen verabschieden. Er kann
es nicht länger hinnehmen, dass an deutschen Universitäten Forschung, wenn diese
gesellschaftspolitisch brisant ist, behindert wird.
Wir trafen Prof. Dr. Rainer Rothfuß am 15.12. in Tübingen, um mit ihm nach dem
Vortrag von Daniele Ganser ein Interview über die Motive seiner Arbeit zu
führen.
Obwohl das Gespräch nachts um zwei Uhr geführt wurde, erlebten wir einen extrem
wachen Geist, der vor die Entscheidung gestellt, moralisch einzuknicken und
Karriere machen oder Rückgrat bewahren und einen Knick der Karriereleiter
hinzunehmen, nie auf die Idee kommen würde, die eigenen Ideale die der
Geisteswissenschaften zu verraten.
Kategorie
Nachrichten & Politik
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