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27.01.2015 17:00
«Ich bin Charlie»
Wovor fürchten sich die französischen Politiker und Journalisten?
Die unwahrscheinliche [unglaubliche] Pressekampagne
in Frankreich im Namen der Meinungsfreiheit, die gegen diejenigen gerichtet ist,
die die Anschläge vom Januar in Paris in Frage stellen, dehnt sich allmählich
auf alle NATO-Staaten aus. Ab jetzt wird die kritische Denkweise eine Straftat
und ins Gefängnis führen. [Quellen:
voltairenet.org] JWD
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Am Rande der "Je-suis-Charlie"-Demo vom 11.
Januar 2015 haben sich 56 Staats- und Regierungschefs in einer
Seitenstraße des Demonstrationszuges versammelt und einige Minuten
vor den Kameras posiert, bevor sie heimfuhren. Auf Grund dieser
Bilder wurden sie als Anführer einer Demonstration vorgestellt, an
der sie nie teilgenommen haben. |
Die Anschläge vom Januar 2015 in Frankreich führten zu einer eindrucksvollen
Demonstration ("Ich bin Charlie") und sofort danach, zu einer
Denunzierungs-Kampagne gegen jene Autoren, die ihre Bedeutung in Frage stellten.
Fast alle große Medien widmeten ihre Themen oder Artikel, nicht den Fakten,
sondern um diejenigen zu verteufeln, die sie diskutierten.
Die Richtlinie dieser Kampagne wurde von der politischen Leiterin von France2,
Nathalie Saint-Criq verkündigt, die in der Nachrichtensendung vom 12. Januar
erklärte: „Es sind genau diejenigen, die "nicht Charlie sind", jene die man
ausfindig machen muss, diejenigen, die sich in manchen Schulen geweigert haben
die Schweige-Minute einzuhalten, diejenigen, die "auf den sozialen Netzwerken
schwatzen" und diejenigen, die nicht kapieren, warum dieser Kampf auch ihr Kampf
ist. Nun, das sind genau die, die wir ausfindig machen, behandeln, eingliedern
bzw. wieder in die nationale Gemeinschaft eingliedern müssen“.
Maccarthystischer Aufruf von Nathalie Saint-Criq
| Quelle: Youtube |
Nathalie Saint-Criq ist die Lebensgefährtin von Patrice Duhamel, dem
Generaldirektor von France Télévisions, d.h. dem Zensurchef der öffentlichen
Fernsehanstalten. Er ist der Bruder des Leitartiklers Alain Duhamel. Diese drei
Journalisten artikulieren seit vielen Jahren den Konsens der französischen
herrschenden Klasse.
Woher kommt die Unruhe der französischen Presse?
Seit der Veröffentlichung der L’Effroyable imposture [„Die entsetzliche Lüge“
Buch von T. Meyssan] und der weltweiten Debatte, die dadurch ausgelöst wurde,
vertraut ein immer grösser werdender Anteil der Bevölkerung, nicht nur in
Frankreich, sondern auch in allen Mitgliedstaaten der NATO - und nur allein in
diesen -, den Mainstream-Medien nicht mehr. In 2002 und in den Folgejahren war
die Glaubwürdigkeit der Papier-Presse und des Radios auf 44 % gesunken, die des
Fernsehens auf 53 %. Im Laufe der Zeit war sie für die schriftliche Presse
wieder auf 50 %, auf 55 % für Radio und 58 % für das Fernsehen gestiegen. [1].
Es sei darauf hingewiesen, dass für die herrschende Klasse die Glaubwürdigkeit
der Medien materiell gemessen wird und nicht auf Grund ihres Inhalts, ein
Anzeichen für ein fast völliges Fehlen von Pluralismus der Ideen.
Die Veröffentlichung eines Artikels von Thierry Meyssan [2] in die Stunden, die
dem Anschlag auf Charlie Hebdo gefolgt waren, hat die Debatte über das Vertrauen
zu den Medien wieder aufgeworfen. Von seinem syrischen Exil aus zeigte der
Journalist, dass der modus operandi der Terroristen nichts mit dem von
Dschihadisten zu tun hatte, sondern eher einem militärischen Kommando ähnlich
sah. Daher war ihm zufolge die wichtige Frage, nicht, ob die Terroristen Muslime
waren und ob sie mit authentischen Dschihadisten Kontakt hatten, sondern wer sie
beauftragt hatte, um ihre Verbrechen zu begehen. Dieser Artikel wurde in
Frankreich von vielen Webseiten aufgegriffen, durch Mailing-Listen verbreitet,
und in drei Tagen mehr als 800 000 Mal in dem französischen Teil des Netzwerkes
Voltaire konsultiert [3].
Seltsamer Weise wurde diese Frage, die durch viele ausländische Medien,
einschließlich der BBC und CNN, behandelt wurde, in Frankreich nicht von der
großen Presse aufgegriffen. Schlimmer noch, die Kampagne gegen diejenigen, die
sie in Frage stellten, hat oft den Artikel von Thierry Meyssan zitiert, ohne
jemals seinen Argumenten zu antworten.
In diesem Artikel bemerkt der im Exil lebende Journalist, dass das Attentat auf
Charlie Hebdo den "Krieg der Kulturen" wieder anfachen sollte, eine Strategie,
die niemals von den Muslimbrüdern, von al-Kaida oder vom Daesh gefordert wurde,
sondern nur von den US-neo-Konservativen und Liberalen Falken. Das genügte
vollkommen, damit ihm "Antisemitismus" vorgeworfen wurde. Tatsächlich waren die
Neokonservativen ursprünglich eine Gruppe von trotzkistischen Journalisten, die
die jüdische und zionistische Revue Commentary betrieben [4].
Wenn dieser Vorwurf auch absurd war, sollte er wahrscheinlich darauf anspielen,
dass die Ideen von Thierry Meyssan von Mitgliedern der nationalen Versöhnung,
der von Dieudonné und Alain Soral gerade frisch geschaffenen politischen Partei,
besonders intensiv aufgegriffen wurden. Wie ihr Name jedoch andeutet, will diese
Partei die Bürger verschiedener politischer Herkunft, einschließlich der
rechtsextremen, antisemitischen Mitglieder zusammenzubringen.
Die französische Presse muss daher zwei Herausforderungen zugleich die Stirne
bieten: einerseits dem Kampf gegen die angelsächsische Vorherrschaft, den
Thierry Meyssan weltweit führt und andererseits der Entstehung einer neuen
französischen politischen Bewegung um Dieudonné und Alain Soral herum, die den
"Verrat der Eliten“ bekämpft.
In seiner Rede auf dem Parlament über die Attentate, bezeichnete Premierminister
Manuel Valls den Humoristen Dieudonné schon als das vorrangig zu bekämpfende
Ziel: „Welch schrecklicher Zufall, welche Beleidigung, einen
Gewohnheitsverbrecher der Hassprovokation seine Show in überfüllten Hallen
abhalten zu sehen, gerade zur gleichen Zeit, als Samstagabend, die ganze Nation
bei Porte de Vincennes sich zur Trauer feierlich versammelt hatte. Übersehen wir
niemals diese Fakten und hoffen wir, dass das Gericht gegen diese Hass-Prediger
unerbittlich sein wird! Ich sage das mit Kraft hier auf der Tribüne der
Nationalversammlung! » [5]. Am nächsten Tag wurde der Komiker verhaftet und in
Untersuchungshaft gesetzt. Ihm wird vorgeworfen, die Mobilisierung "Ich bin
Charlie“, verspottet zu haben, indem er sie mit den Worten "Ich bin Charlie
Coulibaly" (mit dem Namen eines der Terroristen) lächerlich gemacht hat, was
natürlich ein Aufruf zu antisemitischem Hass wäre.
So würde die Verteidigung der freien Meinungsäußerung in dem aktuellen
Frankreich voraussetzen, dass man einen Komiker ins Gefängnis wirft.
Alle Franzosen haben sich nicht an der Mobilisierung beteiligt
In diesem Zusammenhang der Anfechtung der Medien- und politischen Macht wurden
Studien durchgeführt, um zu verstehen, welche Franzosen dem öffentlichen Diskurs
widerstehen und was ihre Auswirkungen auf die Zukunft der politischen Parteien
wäre.
Zunächst erscheint eine erhebliche regionale Diskrepanz: die Teilnehmerrate der
Bürger an den Veranstaltungen "Ich bin Charlie" war 71 % in Grenoble oder Rodez,
aber sinkt auf 3 % in Le Havre oder Hénin-Beaumont [6].
Quellen: Ifop | voltairenet.org
(verlinkt)
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Laut der IFOP entspricht diese Bruch-Linie, jener der Front National [FN]
Stimmen [7], aber es könnte auch sein, dass sie mit den NEIN- Stimmen des
Referendums zur Europäischen Verfassung 2005 übereinstimmen [8]. Nach
Überprüfung schließt das Institut die Hypothese einer Korrelation mit
Religionszugehörigkeit zum Islam aus.
Quellen: Ifop | voltairenet.org
(verlinkt) |
Quellen: Ifop | voltairenet.org
(verlinkt) |
Mit anderen Worten, die Anfechtung der einheitlichen Jasager zu "Ich bin
Charlie" entspräche den Bestrebungen der Wähler der nationalen Front [FN], aber
könnte anwachsen, um die Wähler zu erreichen, die gegen eine
anti-republikanische und anti-demokratische Europäische Union sind.
Der Prozentsatz der Durchdringung des kritischen Geistes, der als
"Verschwörungstheorien" beschrieben wird, wurde von der IFOP für die Sud Ouest
Zeitung gemessen [9].
Das Journal erläutert in einem Interview mit dem Politikwissenschaftler Emmanuel
Taïeb, was man darunter verstehen "sollte". Dieser Soziologe, Lehrer an der
Sciences Po [litique] Lyon, war bisher als Spezialist der Debatte über die
Todesstrafe bekannt. Obwohl er nie wissenschaftliche Artikel über die
"Verschwörungstheorien“ geschrieben hatte, wird er seit dem Anschlag auf Charlie
Hebdo, als ein bekannter Gelehrter dargestellt, und wird von vielen Medien
befragt.
"Verschwörungstheorien" muss man hier verstehen wie eine „Übereinstimmung mit
Thesen“ die „Konsens-Versionen“ von politischen Fakten anfechten. Emmanuel Taïeb
erklärt, dass diese "Theorien" nicht "Gerüchte" (ein Begriff während des
Wahlkampfes 2002) seien, sondern dass sie von identifizierten Personen
produziert würden (er zitiert Jean-Marie Le Pen, Thierry Meyssan und Lyndon
LaRouche), die keine Journalisten wären (obwohl Thierry Meyssan rechtlich einen
Presseausweis hat und Kolumnist für verschiedene Papier-Zeitungen in
verschiedenen Ländern besitzt). Schließlich sagte er: "die meisten
Verschwörungstheorien sind nur neue Formen des anti-Imperialismus oder des
anti-Zionismus“.
Logischer Weise beginnt das Journal mit der Frage über den 11.September, um zur
"Ich bin Charlie" Frage zu gelangen. 21 % der Befragten "sind nicht wirklich
sicher, dass die Anschläge (vom 11. September 2001) geplant und nur durch die
terroristische Organisation al-Kaida durchgeführt wurden. Diese Zahl sinkt auf
16 % für die Anschläge vom Januar 2015.
Quellen: Ifop | voltairenet.org
(verlinkt) |
Quellen: Ifop und Sud Ouest vom 25.
Januar 2015 | voltairenet.org (verlinkt)
Befragung einer repräsentativen
Stichprobe der französischen Bevölkerung im Alter von 18 Jahren und
mehr, von 1051 Personen, unter der Regie von selbstverwalteten
Fragebogen online ab dem 21. bis 23. Januar 2015. |
Die Formulierung der Fragen induzierte natürlich teilweise die Antworten. Wie
auch immer, ist 16 % bereits ein erhebliches politisches Problem.
Die IFOP sagte weiter, dass sie beobachtet, dass die Anfechter des 11. September
über das ganze Wahl-Spektrum, aber mit einer Überrepräsentation in dem FN
verteilt seien. Aber siehe da, was "Ich bin Charlie" betrifft, wären sie
zahlreicher beim Front de Gauche [Linke] und bei der UMP, als bei der
Sozialistischen Partei [PS] und dem FN.
Damit stürzt aber plötzlich die ganze Rhetorik ein, die die Anfechtung der
extremen Rechten zuschreibt oder sie mit einem Parfum des Antisemitismus
gleichsetzt. Die «Komplotisten» sind in Wirklichkeit Bürger, die im Namen der
Republik und der demokratischen Werte gegen das System rebellieren. Das ist was
der FN gut verstanden hat, indem er sich in den zehn Jahren von einer
rechtsextremen Partei entfernt hat und eine Patriotische Partei geworden ist,
sowie die Front de Gauche und jetzt auch die Nationale Versöhnung, obwohl diese
drei Parteien keine Beziehung zueinander haben.
Link zum
Originaltext bei ' voltairenet.org ' ..hier
Quellen:
[1] Baromètre de la confiance dans les médias, TNS-Sofres.
[2] „Wer hat das Attentat auf Charlie Hebdo gesponsert?“, von Thierry Meyssan,
Übersetzung Horst Frohlich, Düsseldorfer Abendblatt (Deutschland), Voltaire
Netzwerk, 8. Januar 2015.
[3] Voltairenet.org ist in zehn Haupt-Sprachen und sechs sekundären Sprachen
verfügbar.
[4] « Les New York Intellectuals et l’invention du néo-conservatisme », par
Denis Boneau, Réseau Voltaire, 26 novembre 2004.
[5] « Discours de Manuel Valls à l’Assemblée nationale en hommage aux victimes
des attentats », Réseau Voltaire, 13 janvier 2015.
[6] Marche re´publicaine « pour Charlie »: des disparite´s de mobilisation
lourdes de sens, Ifop Focus n°121, Janvier 2015.
[7] Bei den Europawahlen am 25. Mai 2014 wurde der Front National (FN) die erste
Partei Frankreichs mit 24.86 % der abgegebenen Stimmen.
[8] Auf die Frage "Stimmen Sie dem Gesetzesprojekt zu, das die Ratifizierung des
Vertrags über eine Verfassung für Europa autorisiert?", das "Nein" gewinnt mit
54.68 % der abgegebenen Stimmen am 29. Mai 2005.
[9] «Comme l’ombre d’un doute», Sylvain Cottin, Sud Ouest, 25 janvier 2015.
Voltaire Netzwerk
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons
Sie können die Artikel des Réseau Voltaire frei vervielfältigen unter der
Bedingung die Quelle anzuführen, ohne die Artikel zu verändern und ohne sie für
geschäftliche Ziele zu benützen (Lizenz CC BY-NC-ND).
Quelle : „ Wovor fürchten sich die französischen Politiker und Journalisten?“,
von Voltaire Netzwerk, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 27. Januar
2015,
www.voltairenet.org/article186580.html
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